Der kurzlebige Holzturm
Der Bismarckturm in Bonn-Kessenich
Bauplanung und Bauarbeiten
Kommerzienrat Ernst Rolffs (1827-1900) aus Poppelsdorf ließ im Jahr 1893 auf eigene Kosten einen hölzernen Bismarckturm auf einem vier Ar großen Grundstück am sogenannten "Eisernen Weg" (Kessenich) errichten. Dieses Grundstück am Rande des damaligen Exerzierplatzes (nahe des heutigen nördlichen Klinikeinganges) hatte er zuvor der Bonner Garnisonsverwaltung für 30,30 Mark abgekauft.
Noch im gleichen Jahr schenkte E. Rolffs der Gemeinde Kessenich das Grundstück nebst Bismarckturm unter der Bedingung, dass die Gemeinde sich um die Überwachung und Erhaltung des Turmes zu sorgen habe. Das an die ehemalige Kaiser-Wilhelm-Höhe angrenzende Grundstück nannte man in "Bismarckhöhe" um.
Turmbeschreibung
Der mit zwei Aussichtsplattformen versehene Turm hatte eine Gesamthöhe von 15,30 m.
Der 4,60 m x 4,60 m große Sockel des Turmes war in etwa 3 m Höhe mit einem auskragenden Vordach (6 m x 6 m) versehen, welches als Regenschutz diente. Der Turmschaft verjüngte sich leicht bis zur unteren Aussichtsplattform in etwa 12 m Höhe (4 m x 4 m), die untere Aussichtsplattform kragte leicht aus (ca. 5 m x 5 m). Die obere Aussichtsplattform in 15,30 m Höhe hatte eine Seitenlänge von ca. 3,50 m. Beide Plattformen waren mit hölzernen Brüstungen von jeweils 1 m Höhe versehen.
Über hölzerne Treppe mit mehreren Absätzen waren die beiden Aussichtsplattformen erreichbar.
Turmgeschichte
1894-1902
Am 01.04.1894 um 11:00 Uhr, zu Otto von Bismarcks 79. Geburtstag, wurde der Bismarckturm feierlich eingeweiht. Zahlreiche Bonner und Poppelsdorfer Bürger nahmen an der Einweihung des Turmes, welcher mit Wappenschildern und Fahnen geschmückt war, teil. Neben einer Weiherede von Dr. Richard Rosenmund aus Poppelsdorf spielte u.a. eine Militärkapelle auf. Bürgermeister Bennauer aus Poppelsdorf übernahm den Turm in das Eigentum der Gemeinde Kessenich.
Der Kessenicher Ortsvorsteher Joseph Schumacher jr. beauftragte einen Turmaufseher, der den Turm für ein geringes Entgelt zugänglich machte. Von den Plattformen aus konnte man ins Rheintal, zum Siebengebirge und bis in die Eifel schauen.
Turmwärter bis zu seinem Tod im Oktober 1904 war Wilhelm Klein, der am Turm auch Limonade und Ansichtskarten verkaufte. Dieser öffnete das Bauwerk an 24 Sonntagen im Jahr ganz- sowie an 80 Werktagen halbtägig. Er verdiente an Sonntagsöffnungen je 2 Mark, für die halbtägigen Werktagslöffnungen erhielt er je 1 Mark.
Die Kessenicher Gemeindeverwaltung wählte eine Bismarckturm-Komission, die den Turm nicht nur erhalten, sondern auch verschönern sollte. Vor dem Eingang wurde ein Turmwärtshäuschen für 110 Mark angeschafft. Bereits im Jahr 1895 waren an der West- und Südseite Witterungsschäden entschaden. Ein neuer Anstrich sollte im Frühjahr 1895 vorgenommen werden.
Der Bismarckturm wurde zu einem beliebten Ausflugsziel.
Bereits 1894 wurde das Bauwerk von 7.990 zahlenden Besuchern bestiegen (das Militär hatte freien Eintritt). Erwachsene zahlten 5 Pfennig, Kinder 1 Pfennig Eintritt.
Der Bau einer Wirtschaft wurde im Oktober 1896 nahe des Bismarckturmes geplant, aber aufgrund einer andere nahegelegenen Wirtschaft (Casselsruhe) abgelehnt.
1903-1912
Im Jahr 1903 bestiegen 3.245 Personen den Turm. Am Bismarckturm wurden bis zum Oktober 1904 Limonade und Ansichtskarten, ab dem 01.04.1905 auch Milch, Selterswasser und Backwaren verkauft.
Nach der Eingemeindung der Gemeinde Kessenich in die Stadt Bonn im Jahr 1904 erhielt der Turmwächter ein jährliches Gehalt von 55 Mark.
Nach dem Tod von Wilhelm Klein wurde ab dem 01.04.1905 Bernhard Becker aus Dottendorf neuer Turmwächter (bis 1907), ab 1908 der Rentner und Invalide Lorenz Hermann aus Poppelsdorf.
Am 22.04.1910 verursachten drei junge Männer Vandalismusschäden am Turm (Abriss eines Podestes und von Stacheldraht). Der Schaden konnte zu einem Preis von 4,50 Mark repariert werden.
Im Jahr 1911 kostete der Aufstieg 5 Pfennig pro Person. Im November 1911 wurde der Turm aufgrund von Schäden (mehrere Hauptbalken waren baufällig) für Besucher gesperrt.
Im Februar 1912 musste das hölzerne Bauwerk wegen der starken Witterungsschäden abgerissen werden. Die Stadt Bonn plante nach dem Abriss, einen eisernen Turm an derselben Stelle zu errichten. Dies wurde nicht realisiert.
Der Verschönerungsverein für Bonn und Umgebung erwog im September 1918, einen steinernen Turm am ehemaligen Turmstandort errichten zu lassen und diesen Hindenburgturm zu nennen. Auch diese Planung verlief im Sande.
Trivia
Den Turm war von außen mit einem Holzzaun versperrt, dessen Tor außerhalb der Öffnungszeiten verschlossen war. Der erste Turmwärter Wilhelm Klein war zu den Öffnungszeiten nicht immer anwesend, so dass sich ein Leser im Bonner Generalanzeiger darüber beschwerte: "Der Wächter wohnt in Kessenich und 'kütt' um 5 Uhr, wenn er aber nicht 'kütt', 'kütt' er gar nicht".
Links (ehemaliger Standort)
Koordinaten und Kartenmaterial
Quellen
- Seele, Sieglinde: Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 72
- Seele, Sieglinde: Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-TURM von BONN-VENUSBERG (Nordrhein-Westfalen)
- Berzheim, Bernhard: "Venusberg - Der Balkon von Bonn", Stadtarchiv Bonn 2001
- Neue Bonner Zeitung: 30.03.1894; 03.04.1894; 18.12.1894; 10.10.1896
- Dortmunder Zeitung: 03.04.1894
- General-Anzeiger Bonn: 10.04.1906; 15.11.1911; 10.02.1912; 03.08.1939
- Bonner Zeitung: 16.11.1911; 02.09.1918
- Bonner Rundschau: 12.07.1967
Übersichtskarte Standort Bismarckturm
Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.
Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen
Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)
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