Zwanzig Feuerkästen auf der Turmspitze
Die Bismarcksäule in Marburg
Vorbemerkungen
Die Stadt Marburg hat den ehemaligen Reichskanzler aus Anlass der Vollendung seines 80. Geburtstages am 01.04.1895 zum Ehrenbürger ernannt (die Zuerkennung erfolgte am 21.02.1895). Zur Ehrenbürgerschaft wurde im Schlosspark eine Bismarck-Eiche aus dem Sachsenwald gepflanzt und mit einer entsprechenden Hinweistafel versehen.
Bereits der 70. Geburtstag sowie auch spätere Geburtstage des Reichskanzlers wurden in Marburg offiziell gefeiert.
Bauplanung
1900-1901
Die Studentenschaft Marburg regte bereits Ende 1900/Anfang 1901 den Bau einer Bismarcksäule an. Am 29.01.1901 entschied man sich, den von der deutschen Studentenschaft preisgekrönten Entwurf "Götterdämmerung" des Architekten Wilhelm Kreis in Marburg auszuführen.
Finanziert wurde der Turm samt Grundstück zunächst durch Beiträge der Studenten. Durch die Abgaben der inkorporierten Studenten sollten jährlich etwa 2.000 Mark eingesammelt werden. Auch die akademischen Lehrer unterstützen das Turmprojekt durch Spendenbeiträge. Später wurde durch Spendenaufrufe auch das Bürgertum einbezogen.
Das Aufstellen von Spendenbüchsen und öffentliche Sammlungen waren Anfang 1901 vom Oberpräsidium der Provinz Hessen-Nassau zunächst abgelehnt worden, da erst das Einvernehmen der Behörden sowie ein geeigneter Bauplatz nachgewiesen werden sollten.
Der zum Zweck der Errichtung der Bismarcksäule gebildete Studentenausschuss wandte sich an den Beigeordneten und stellvertretenden Bürgermeister Friedrich Siebert (1831-1918), der den Kontakt zum Magistrat herstellte und einen möglichen Bauplatz für den Bismarckturm vorschlug. Er empfahl einen Platz auf dem Lahnberg, auf dem früher Gedächtnisfeuer an die Völkerschlacht bei Leipzig (1813) und Sedanfeuer (Erinnerung an die Schlacht von Sedan 1870) entzündet worden waren.
Am 23.05.1901 führte F. Siebert mit Vertretern der Studentenschaft eine Ortsbegehung durch und schlug dabei vor, den ausgewählten, 10,2 Ar großen Acker „Am Kaff“ auf dem Lahnberg vom Rentner W. Römheldt zum Preis von 400 Mark zu kaufen. Ein wichtiges Auswahlkriterium war die Größe des Platzes. Dieser sollte für Fuhrwerke, für große Fackelträger-Aufzüge und "Fäßchenpartien" geeignet sein. Zudem war ein offenes Gelände auf einer Anhöhe wichtig, um den Feuerschein auf dem Turmkopf nebst Fackeln weithin sichtbar zu machen. Die Studentenvertreter waren mit diesem Vorschlag einverstanden, die Stadtverordnetenversammlung stimmte dem Beschluss am 11.06.1901 zu.
Der Bauplatz des Bismarckturmes war 9 m x 22 m groß, die Pachtfläche betrug 0,0198 ha.
Am 11.07.1901 wandte sich der Studentenausschuss nach Klärung der Standortfrage des Turmes erneut bezüglich der Erlaubnis von Spendensammlungen an das Oberpräsidium in Kassel.
Die Baukosten wurden vom Regierungspräsidenten auf 12.000 – 15.000 Mark geschätzt, der zudem die Errichtung der Bismarcksäule für finanziell gesichert hielt. Die Genehmigung zur Durchführung von öffentlichen Sammlungen "in geeigneten Lokalen" erteilte der Oberpräsident am 17.08.1901.
Zudem legten die Marburger Korporationen fest, dass jedes aktive Mitglied im Semester eine halbe Mark spenden sollte. Die Kassenführung übernahm die Studentenverbindung Frankonia.
Kurz darauf konstituierte sich der „Ausschuss zur Errichtung einer Bismarcksäule“.
Dieser Ausschuss bestand aus drei Mitgliedern des akademischen Lehrkörpers und der Bürgerschaft (Vorsitzender: Stellvertretender Bürgermeister und Apotheker Friedrich Siebert (1831-1918, seit dem 05.07.1901 Ehrenbürger der Stadt Marburg), Stellvertretender Vorsitzender: Prof. Dr. Fr. André, Schatzmeister: Stadtrat Otto Binder) sowie fünf Vertretern der beteiligten Studenten-Verbindungen (SBV Frankonia, Landsmannschaft Hasso-Borussia Marburg, Theologischer Verein, KStV Thuringia und Akademischer Turnverein).
1902-1903
Der Ausschuss veröffentlichte im April 1902 einen offiziellen Spendenaufruf (Flugblatt) "an die Bewohnerschaft Marburgs". Die Baukosten wurden hier bereits mit 15.000 – 18.000 Mark veranschlagt.
Die bis April 1902 gesammelten Spendenmittel lagen bei etwa 4.000 Mark.
Am 10.07.1902 wurde ein Festkommers zum Besten der Bismarcksäule ausgerichtet, an dem sämtliche im Studentenausschuss vertretende Korporationen teilnahmen.
Weitere Spenden sammelte man nun zusätzlich durch gut organisierte öffentliche Haus-zu-Haus-Sammlungen sowie durch zwei Festveranstaltungen ("Bismarck-Abende" im Museums-Saal am 14.11 und 16.11.1902) im Museums-Saal von Marburg. Über die Haus-zu-Huas-Sammlungen wurden Sammellisten geführt.
Im Dezember 1902 wurden seitens des Ausschusses, hier besonders Friedrich Siebert, konkrete Vorbereitungen zur Errichtung des Bauwerkes getroffen. Den Auftrag zur Bauausführung erhielt das Marburger Architektenbüro Reising und Ziggel. Friedrich Siebert hatte zur gleichen Zeit Kontakt mit dem Architekten Wilhelm Kreis aufgenommen. Dieser sah sich als Inhaber der Vervielfältigungsrechte seines von der deutschen Studentenschaft prämierten Entwurfes "Götterdämmerung", obwohl die Studentenschaft diesen kostenlos verschickte. Daher verlange er grundsätzlich 5 % Architektenhonorar. Siebert bot zunächst 200 Mark, man einigte sich letztendlich auf 300 Mark. Kreis ließ sich darauf ein, damit sein Entwurf nach eigenen Angaben mehr verbreitet und dadurch bekannter wird.
Im Januar 1903 wurde die ursprünglich geplante Höhe des Turmes von 12,70 m auf 16 m nach oben korrigiert (die tatsächliche Höhe beträgt 15 m, die Differenz von einem Meter erklärt sich durch die ca. 1 m hohe Aufschüttung des Bauplatzes).
Die Gesamtkosten betrugen 16.942,42 Mark. Es blieb ein Spendenüberschuss von 593,36 Mark,
Bauarbeiten
Der Baubeginn wurde auf den 01.02.1903 terminiert, am 21.06.1903 sollte eine Gedenktafel enthüllt und am 02.09. oder 18.10.1903 der fertige Turm eingeweiht werden.
Am 20.03.1903 trafen die Bauzeichnungen des Architekten Wilhelm Kreis in Marburg ein. Erst kurz darauf begannen am Bauplatz die Erdarbeiten sowie die Anfuhr der Bausteine.
Als Baumaterial für den Turm verwendete man roten Sandstein, der im Sockel grob, im Mittelteil und Dachaufbau sorgfältiger behauen worden war. Der Sandstein wurde in der Nähe des Bauplatzes („Lichten Küppel“) gebrochen.
Am 24.03.1903 entschied sich der Vorbereitungsausschuss, dass am Turm keine Gedenktafel befestigt werden, dafür über der Eingangstür ein Denkstein mit einer Inschrift angebracht werden sollte.
Friedrich Siebert erhielt gleichzeitig die Vollmacht als Bauherr der Bismarcksäule. Siebert änderte den Entwurf von Wilhelm Kreis in einigen Details.
Änderungen des Bauherrn Siebert im Vergleich zum Entwurf von Wilhelm Kreis
- Es wurde auf einen Sockelumgang verzichtet.
- Es wurde nur ein Treppenaufgang zur Terrasse ausgeführt, zuvor waren drei Treppenaufgänge vorgesehen.
- Die Turmdecke wurde aus Beton statt aus Sandstein gefertigt.
- Statt eines Reliefs (Reichsadler mit der Schlange der Zwietracht wie beim Bismarckturm Heidelberg) wurde im Mai 1903 Bildhauer Dauber mit der Fertigung eines speziellen Bismarckwappens beauftragt.
Ende März 1903 konnte man sich nicht einigen, ob die Bismarcksäule als reine Feuersäule oder als Aussichtsturm gebaut werden sollte. Im Kostenvoranschlag des Architektenbüros Reising und Ziggel aus Marburg vom 12.12.1902 war eine freitragende Wendeltreppe, in einem von beiden eingereichten Entwürfen von Wilhelm Kreis waren einfache Steigeisen vorgesehen.
Am 20.04.1903 entschieden sich Bauherr und Bauunternehmer für den Einbau einer Sandsteintreppe und damit für die zusätzliche Funktion als Aussichtsturm.
Am 27.05.1903 stiftete ein Mitglied des Marburger akademischen Lehrkörpers 1.000 Mark, ein Zigarettenhändler von der Wettergasse spendete 8.000 Zigaretten für den Baufonds.
Am gleichen Tag wurde ab 18:00 Uhr über dem Eingang der "Denkstein" mit der Inschrift
ERRICHTET VON DEN STUDENTEN
UND BÜRGERN MARBURGS. 1903
nach einem Festzug zum Turm feierlich enthüllt.
Anschließend fand eine studentische Feier in den Stadtsälen Marburgs statt.
Auf eine offizielle Grundsteinlegung wurde verzichtet. F. Siebert als Bauherr betonte, dass die Einfügung des Denksteins keine Grundsteinlegung gewesen sei, einige Studenten bezeichneten den Festakt jedoch als Grundsteinlegung.
Durch die Entwurfs-Änderungen verzögerte sich die Fertigstellung des Turmes.
Im Juli 1903 avisierte der Bauherr den Abschluss der Bauarbeiten auf Oktober 1903 und plante die Einweihung für den 21.06.1904.
Das Reichsadlerrelief wurde vom Bildhauer Dauber in seiner eigenen Werkstatt aus einem Stein geschlagen und im Spätsommer 1903 angebracht. Die Größe des Reliefs wurde von ursprünglich 1,75 m x 2,50 m x 0,60 m auf 1,30 m x 1,50 m x 0,40 m reduziert.
Die Terrasse des Turmes wurde Mitte November 1903 aufgeschüttet, die Schlosserarbeiten auf der Turmkrone wurden zum Jahreswechsel 1903/1904 abgeschlossen.
Noch vor der endgültigen Fertigstellung des Bauwerkes plante man das Umfeld des Turmes. Zweckgerichtet gingen weitere Spenden für die Anlegung des Geländes um den Turm ein. Mehrere Grundstücke aus der Nachbarschaft wurden Ende 1903 und Anfang 1904 gekauft, einige zur Schaffung einer größeren zusammenhängenden Fläche getauscht.
Die Spendensammlungen in der Bevölkerung liefen zu dieser Zeit weiter, zwei Ansichtskarten vom Kaiser-Wilhelm Turm Marburg und dem projektierten Bismarckturm wurden in einer Auflage von 6.000 Exemplaren zugunsten des Turmbaufonds verkauft.
Turmbeschreibung
Der 15 m hohe Aussichtsturm mit Befeuerungsmöglichkeit wurde ohne Podeststufen ausgeführt. Der dreifach leicht gestufte quadratische Turmsockel ist 2,75 m hoch und hat unten eine Seitenlänge von 8,75 m.
Über eine vierstufige Treppe ist die talseitig gelegene Eingangstür erreichbar.
Oberhalb des Sockels schließt sich der 6 m breite und 7,50 m hohe Turmschaft an.
Die vier Kanten des Schaftes bestehen - wie bei dem Entwurf "Götterdämmerung" typisch - aus Dreiviertelsäulen, die von einem Architrav zusammengehalten werden. Die Kanten sind abgerundet, das Wandfeld am Turmschaft zwischen den Kanten entspricht dem Durchmesser einer Kante.
Im oberen Drittel des Säulenschaftes der Eingangsseite, direkt unterhalb des umlaufenden schmalen Bandes, ist ein Wappenfeld mit einem Wappenrelief der Familie von Bismarck (ein mit drei Eichenblättern bestecktes Kleeblatt, verziert mit einem gekrönten Helm, zwei Büffelhörnern und einer Blätterkrone), gefertigt von Bildhauer Dauber aus Marburg, eingelassen.
In unregelmäßigen Abständen sind zwecks Belüftung des Turmes auf jeder Seite kleine Maueröffnungen (maximal zwei pro Seite) eingelassen.
Oberhalb des Turmschaftes kragt der Turmkopf in Form eines kapitellartigen Aufbaus leicht aus. Das breite Gesims geht in den vierstufigen Dachaufbau über.
Die behauenen Steine sind bis oben zum Säulenschaft im Längsverband gemauert, die Steine auf Turmkopf sind größeren Formats und abwechselnd längs und senkrecht gestellt.
Eine begehbare Aussichtsplattform in der Turmkrone schließt den Turm nach oben hin ab. Eiserne Schienen waren hier ausgelegt, die ca. einen halben Meter über die Steinumfassung ragten. In diese Schienen wurden außen die zwanzig Feuerkästen aus Blech zwecks Befeuerung des Turmes eingehängt. Dadurch war eine ausreichende Luftzirkulation gewährleistet, zudem wurden die Steineinfassungen vor zu starker Erhitzung geschützt.
Die eisernen Schienen und die Blechkästen (gefertigt aus altem Blech eines Gasometers von Fabrikator Schulz nach Vorschlag der Fa. O. Wilk aus Eisenach) wurden nach Gebrauch im Turm aufbewahrt.
Durch die talseitig gelegene Tür gelangt man über 63 Stufen einer freitragenden Treppe mit eisernem Geländer zur Aussichtsplattform. Die Plattform war ursprünglich über eine hölzerne Falltür zu erreichen.
Befeuerung
Die Blechkästen wurden zwecks Befeuerung mit 250 l Petroleum (Kosten: 45 Mark) und 20 kg Kolophonium befüllt. Zusätzlich lag in jedem Kasten ein 1,20 m langes und hochkant gestelltes, zuvor in Petroleum getränktes Kiefernholz (Durchmesser 8-10 cm), welches die Brenndauer auf ca. 45 - 60 Minuten verlängerte.
Die Kästen standen frei, und waren ca. 0,50 m über der Brüstungsmauer befestigt.
Die Kiefernhölzer waren mit einer Zündschnur verbunden. Die Flammenhöhe betrug 10-15 m (bei kräftigem Luftzug durch die geöffnete Turm- und Falltür) bei einer Brenndauer von etwa einer Stunde.
Nach Beschluss der Studentenschaft sollte der Turm jedes Jahr am 01.04. und am 21.06. befeuert werden.
Im Jahr 1932 lag die Brenndauer nach Auskunft des Bauamtes bei 90 - 120 Minuten bei einer Flammenhöhe von 1,50 – 2 m.
Turmgeschichte
1904-1914
An der Einweihungsfeier am So., 21.06.1904 nahmen offiziell 454 Besucher (Studenten, etwa 1/3 der Marburger Studentenschaft der Philipps-Universität) teil. Der Ausschuss für die Errichtung einer Bismarcksäule war offiziell Veranstalter der Einweihungsfeier, der Allgemeine Studentenausschuss hatte das Datum der Einweihung aber zuvor terminiert. Nach mehreren kürzeren Ansprachen und dem Absingen von Liedern übergab ein Vertreter der Studentenschaft den Schlüssel des Bismarckturmes „zum Schutz und Schirm“ an die Stadtverwaltung.
Anschließend folgte ein Fackelzug der Studenten zum Kämpfrasen (große Freifläche unterhalb der Oberstadt, heute Standort der Kasernen). Die erste Befeuerung wurde bereits in den Abendstunden des Einweihungstages durchgeführt.
Bis 1915 gab es, mit Ausnahme am 01.04.1914 (wegen eines Streites innerhalb der Studentenschaft), Sonnenwendfeiern und Feiern am 01. April (Bismarcks Geburtstag) mit Befeuerung.
Die Veranstaltungen nahmen alle folgenden Verlauf:
- nachmittags versammelten sich die Studentenverbindungen an verschiedenen Örtlichkeiten und zogen unter Vorantritt von Musikkapellen zur Weintrautseiche
- patriotische, lockere Feier auf den Anlagen der Weintrautseiche mit alkoholischen Getränken (Faßpartie)
- um 21.00 Uhr Fackelmarsch Hunderter Studenten über die kleine Anhöhe zum Bismarckturm (Gesamtstrecke ca. 500 m), bei Ankunft Befeuerung des Bismarckturmes
- Ansprache der Studentenschaft und Singen des Bismarckliedes, Kaiserhoch und Gesang
- Abstieg der Studenten mit Fackeln über den Capplerberg zur Stadt, Zusammenwurf der Fackeln auf dem Kämpfrasen
- Feierabschluss in den einzelnen Vereinsheimen.
Als Friedrich Siebert im Jahr 1907 aus Altergründen von der Aufgabe der Organisation der Bismarck-Feiern zurücktrat, legte er ein Reglement fest, wie die Feiern in seinem Sinne (siehe obiger Ablauf) zu gestalten sind.
2.000 Bäume, hauptsächlich Eichen und Buchen, pflanzte man 1912 im Umfeld des Turmes.
Im Jahr 1913 war die Studentenschaft zerstritten, es wurde getrennt gefeiert. Der Turm wurde erst am 25.06.1913 befeuert.
Die jährlichen Feiern am 1. April (Bismarcks Geburtstag) unterschieden sich jeweils durch das Fehlen der studentischen Faßpartie. Durch den Streit innerhalb der Studentenschaft fiel die Feier am 01.04.1914 aus.
Bei studentischen Maifeiern wurde der Bismarckturm genutzt (Faßpartien) und bengalisch beleuchtet.
1915-1918
Am 31.03.1915 (in der Karwoche, in der grundsätzlich keine „Vergnügungen“ geduldet wurden) ordnete Oberbürgermeister Paul Troje die Befeuerung an. Im Ersten Weltkrieg nahmen viele Studenten am Krieg teil und die Bismarckfeiern fielen daher aus.
Die vorerst letzte patriotische Bismarckfeier in Marburg fand nach Einladung von Oberbürgermeister und Universität am 10. Mai 1915 (Nachfeier zu Otto von Bismarcks 100. Geburtstag) in der Aula der Universität statt.
1919-1932
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich der politische Kontext verändert. Eine geplante Bismarckfeier am 29.03.1919 wurde vom Sozialdemokratischen Wahlverein als Provokation angesehen, da diese „geeignet ist, die Erinnerung an die alte, glücklich überwundene Herrschaft wachzurufen“. Die geplante Feier wurde durchgeführt, nachdem der Veranstalter in der Presse erklärte, dass die Feier „keinen agitatorischen Charakter“ habe.
Am Sonnenwendtag 1919 fand in den Abendstunden eine Feier vor dem Bismarckturm statt, ein Erinnerungsheft zur Feier wurde herausgegeben.
Im Jahr 1919 musste die Brüstungsmauer aufgrund von Hitzeschäden durch die zahlreichen Befeuerungen repariert werde.
In der Zeit der Weimarer Republik fanden vereinzelt Sonnenwend- und Bismarckfeiern, meist organisiert von rechtsstehenden Gruppierungen, Verbänden und Parteien, am Bismarckturm statt. Von 1921-1923 sowie 1925 wurden keine Befeuerungen zu Bismarcks Geburtstag durchgeführt, am 01.04.1924 führte die Kriegerkameradschaft eine Befeuerung durch. Im Jahr 1926 wurde das Bauwerk am 21. und 22. Juni beflammt. 1927 wurden die Blechkästen erneuert, sodass der Turm im gleichen Jahr nicht befeuert werden konnte. Im selben Jahr wurden anlässlich der 400-Jahr-Feier der Philipps-Universität mehrere Gebäude in Marburg wie städtische Gebäude, Elisabethkirche und Bismarckturm bengalisch illuminiert.
Studentinnen nahmen im Jahr 1928 erstmals an der Sonnenwendfeier am Bismarckturm teil.
Die letzte Befeuerung in der Weimarer Republik erfolgte zur Sommersonnenwende 1932. Die Ansprache von Prof. Krieck aus Frankfurt am Main enthielt einige Kernbegriffe er nationalsozialistischen Ideologie.
1933-1945
An der Sonnenwendfeier 1933 nahmen bereits nationalsozialistische Organisationen sowie tausend Mann von der SA teil (eine Befeuerung des Bismarckturmes ist nicht überliefert). In den folgenden Jahre wurden die Veranstaltungen gleichgeschaltet, also nicht mehr der Studentenschaft, sondern den nationalsozialistischen Organisationen überlassen.
So waren es weder Feiern der Studenten noch Feier zu Ehren Bismarcks, sondern "der Volksgemeinschaft", die in den Ansprachen vor dem Turm etwas über "den Sieg des Lichtes über die Finsternis" hörte.
Ab 1935 wurden bei den Sonnenwendfeiern (ab 1938 im Rahmen von SA-Feiern) Feuer vor dem Turm (Holzstoß) entzündet. Im Jahr 1940 verbot der Oberbefehlshaber der Luftwaffe aus Kriegsgründen das Abbrennen von Sonnenwendfeuern.
Im Sommer 1944 wurden in der Nähe des Bauwerkes Baracken errichtet, die als Kreisschulungslager für Schüler genutzt wurden.
1946-1959
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden keine Bismarck-Gedenkfeuer oder Gedenkveranstaltungen mehr am Turm durchgeführt.
Der Bismarckturm wurde im Jahr 1949 gesäubert, kleinere optische Verschönerungen am Bauwerk wurden durchgeführt.
Die Schutzhütte "Sieberts Ruh" wurde im Jahr 1954 zum 50-jährigen Turmjubiläum in der Nähe des Turmes vom Verschönerungsverein Marburg errichtet.
1960-1989
Im Jahr 1960 (Oberhessischer Gebirgsverein) und im Jahr 1963 (Hansenhausgemeinde) gab es Anträge, um den Bismarckturm als Aussichtsturm herzurichten, die jedoch abgelehnt wurden. Anfragen zur Nutzung als Sternwarte wurde 1959 und 1963 ebenfalls abgelehnt. Nach einer Besichtigung des Turmes wurde der Bauzustand als gut angegeben, es wurden lediglich einige Verwitterungsschäden festgestellt.
Ab 1965 entstand um den Turm eine Parkanlage mit Ruhebänken.
Eisengestänge und Blechwannen auf dem Turmkopf, die lange Zeit der Befeuerung gedient hatten, wurden im Jahr 1966 entfernt. Der Turmkopf wurde mit Holz und Dachpappe zum Zwecke eines Witterungsschutzes abgedeckt.
Seit 1967 wurde das Bauwerk von der Hansenhaus-Gemeinde (eingetragener Verein) genutzt. Die Hansenhausgemeinde veranstaltete Konzerte ("Serenade am Bismarckturm") und Feiern auf der Wiese vor dem Turm.
Der Eingangsbereich des Turmes diente über viele Jahre hinweg als Stuhllager.
Im Jahr 1970 wurde das Bauwerk an das Stromnetz angeschlossen. Im Turm wurde nun eine elektrische Beleuchtung installiert. Mehrfach wurde dieser bengalisch beleuchtet.
1990-heute
Ein Antrag auf Illuminierung des Bauwerkes (neben anderen historischen Gebäuden) vom Stadtverordneten Karl-Heinz Gimbel wurde im April 1990 abgelehnt. Zwei Jahre später fragte K.H. Gimbel im Rahmen einer "kleinen Anfrage" im Magistrat nach der Wieder-Zugänglichmachung als Aussichtsturm.
Im Jahr 1992 wurde die Außen-Treppe zum Turm erneuert, im Sommer 1993 wurden mehrere kleine Birken von der Turmkrone entfernt.
Der Bismarckturm wurde nicht mehr als Aussichtsturm genutzt.
Vom 18. bis 20.06.2004 wurde das 100-jährige Jubiläum der Bismarcksäule zusammen mit den 40-jährigen Jubiläen der benachbarten Kindertagesstätte und der Gerhart-Hauptmann-Schule gefeiert. Programmpunkte waren u.a. ein Jubiläumskonzert und ein Gottesdienst am Bismarckturm.
Am 07.09./08.09.2024 wurde von der Hansenhausgemeinde das 120jährige Jubiläum des Bismarckturmes (mit Jubiläumswanderung vom Kaiser-Wilhelm-Turm Marburg zum Bismarckturm am 08.09.2024) sowie das 90jährige Jubiläum der Hansenhausgemeinde in der Parkanlage rund um den Turm gefeiert. Programmpunkte waren u.a. ein Jubiläumsgottesdienst und ein Sektempfang am Turm.
Trivia
Obwohl der Bismarckturm von einer reinen Feuersäule mit Steigeisen (nach dem ursprünglichen Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis) zu einem Aussichtsturm mit Befeuerungseinrichtung umgeplant wurde, gibt es keine Hinweise auf eine dauerhafte Nutzung als Aussichtsturm. Seit dem Abbau der Schienen zur Befeuerung (1966) und der Nutzung durch die Hansenhausgemeinde (1967) ist der Turm für Besucher nicht zugänglich.
Öffnungszeiten (Stand: Oktober 2024)
Der Turm ist ganzjährig verschlossen.
Links
Koordinaten und Kartenmaterial
Quellen
- Hussong, Ulrich: Der Bismarckturm in Marburg, Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur, Band 47, Rathaus-Verlag, Marburg 1993
- Seele, Sieglinde, Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-TURM von MARBURG (Hessen)
- Seele, Sieglinde: Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 264
- von Bismarck, Valentin: Bismarck-Feuersäulen u. Türme (unveröffentlichtes Manuskript); Nr. 101 "Bismarck-Feuersäule bei Marburg a.d. Lahn", 1900 - 1915, 1937 (im Archiv der Burschenschaft Alemannia, Bonn)
- Zeitschrift des Bismarck-Bundes: 1. Jahrgang 1903 (Nr. 2, S. 3; Nr. 4, S. 4); 2. Jahrgang 1904 (Nr. 6, S. 2; Nr. 9, S. 2); 4. Jahrgang 1906 (Nr. 1, S. 14)
- Ausschuss für die Errichtung einer Bismarcksäule - Aufruf an die Bewohnerschafts Marburgs (Flugblatt, April 1902)
- Schreiben des Deutschen Bismarck-Bundes (Feuersäulenausschuss) bezüglich Bismarck-Feuersäulen, März 1906
- Akademische Blätter, Zeitschrift des Kyffhäuser-Verbandes der Vereine Deutscher Studenten: 17. Jg. (Nr. 6 vom 16.06.1902, S. 94; Nr. 17 vom 01.12.1902, S. 284; Nr. 19 vom 01.01.1903, S. 314), 18. Jg. (Nr. 6 vom 16.06.1903, S. 98-99); 19. Jg. (Nr. 6 vom 16.06.1904, S. 98; Nr. 7 vom 01.07.1904, S. 118; Nr. 8 vom 16.07.1904, S. 138); 20. Jg. (Nr. 8 vom 16.07.1905, S. 143); 22. Jg. (Nr. 9 vom 01.08.1907, S. 146).
Fotografen
- Jörg Bielefeld, Leverkusen (April 2003, Oktober 2005, Oktober 2009)
- Robert Waibel, Salach (Mai 2010)
- Richy Oelke (Schurwald), Kelkheim (August 2017)
Übersichtskarte Standort Bismarckturm
Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.
Bildergalerie Bismarckturm Marburg
Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Marburg 1916
Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Marburg 1907
Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Marburg 1903
Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Marburg um 1950
Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Marburg 1930
Foto Sonnenwendfeier am Bismarckturm Marburg 20.06.1932
Foto Bismarckturm Marburg April 2003
Foto Bismarckturm Marburg Oktober 2005
Foto Bismarckturm Marburg Oktober 2005
Foto Bismarckturm Marburg Oktober 2009
Foto Bismarckturm Marburg Oktober 2009
Foto Bismarckturm Marburg Oktober 2009
Foto Bismarckturm Marburg August 2017
Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen
Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)
Copyright ©
www.bismarcktuerme.net | www.bismarcktuerme.de
(2001 - 2024)
Jörg Bielefeld, Leverkusen
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