Der wiederentdeckte Bismarckturm
Der Bismarckturm in Eger (Cheb)
Vorbemerkungen Teil 1 (früherer Aussichtsturm auf dem Grünberg)
Am 23.08.1891 wurde auf dem 637 m hohem Grünberg ein 14 m hoher hölzerner Aussichtsturm eingeweiht. Bereits im Jahr 1907 musste der Turm, der im Auftrag des Egerer Verschönerungsverein von Zimmermeister Pötzl errichtet worden war, wegen Baufälligkeit gesperrt werden.
Vorbemerkungen Teil 2 (Los-von-Rom, Alldeutsche Vereinigung und Runen)
Der Grünberg in Eger (Böhmen) lag seit 1867 (kleindeutsche Lösung Bismarcks um dem Preis des Ausschlusses der einst zum Deutschen Bund gehörenden österreichischen Länder) in Österreich-Ungarn, direkt auf der Trennlinie zwischen dem Deutsches Reich und der k. und k.-Doppel-Monarchie.
Viele Deutsch-Böhmen in Eger fühlten sich als „Reichspfand“ nicht zu Böhmen gehörig und fühlten sich mit dem Deutschen Reich verbunden. Sie forderten eine Großdeutsche Lösung. Der Konflikt wurde durch die Sprachverordnung der Wiener Regierung vom 05. April 1897 unter Ministerpräsident Graf Kasimir Felix Badeni (1846-1909) noch verschärft. Graf Badeni legte mit der Sprachverordnung die doppelsprachige Amtsführung (deutsch und tschechisch) für Böhmen und Mähren fest. Alle deutschen Beamten sollten z.B. bis 1901 die tschechische Sprache beherrschen. Daraufhin folgte die sogenannte Badeni-Krise mit zahlreichen Ausschreitungen in Wien, Graz und Prag, die zum Rücktritt Badenis am 28.11.1897 führte. Die Sprachverordnung wurde am 14.10.1899 komplett aufgehoben, doch auch nach der Rücknahme ebbte bei den Deutsch-Böhmen der Wunsch nach einer Großdeutschen Lösung nicht ab.
Die Krise führte zur Gründung der „Los von Rom-Bewegung“ von Georg von Schönerer, eine politische Strömung Anfang des 20. Jahrhunderts im fast ausschließlich römisch-katholischen Österreich. Die Bewegung förderte aktiv den Konfessionswechsel vom römisch-katholischen zum evangelischen [oder altkatholischen] Glauben und forderte zum Austritt aus der römisch-katholischen Kirche auf (“Los-von-Rom!“).
Der deutschnationale Georg von Schönerer, Führer der Alldeutschen Vereinigung, trat für die vollständige Auflösung der Habsburgermonarchie ein und forderte den Anschluss der von Deutschen besiedelten Gebiete an das Deutsche Reich.
Georg von Schönerer ließ den einzigen Bismarckturm in Österreich (Bismarckturm Rosenau) errichten und förderte als Führer der Alldeutschen Vereinigung den Bau des Bismarckturmes in Eger. Zudem begeisterte er sich für Runensteine und deutete diese – wie andere Anhänger der völkisch-germanischen Bewegung - in seinem Sinne um und verwendete auch frei erfundene runenähnliche Zeichen.
Auch im Bismarckturm in Eger wurden im Bereich des Treppenaufgangs 43 Granitplatten mit Runenzeichen angebracht, auf denen die Namen der Mitglieder des Ausschusses zum Bau des Bismarckturmes sowie Widmungen von deutschen Vereinen und Verbänden zu lesen waren.
Die Verwendung evangelischer Symbole (Luther-Wappen) in Zusammenhang mit der Verwendung von Runen ist im Zusammenhang mit der „Los von Rom-Bewegung“ zu sehen.
Bauplanung und Finanzierung
Im Februar 1909 regte Max Künzel, Vorsitzender des Verbandes Vohburg, des Bundes der Germanen in Eger, den Bau eines steinernen Bismarckturmes auf dem Grünberg an. Der marode hölzerne Aussichtsturm wurde kurz darauf abgerissen.
Zwecks Bau eines Bismarckturmes auf dem 637 m hohen Grünberg wurde unter Vorsitz von Max Künzel aus Eger ein Ausschuss gebildet. Weitere Mitglieder des Ausschusses waren Dr. Edmund Jäger (Abgeordneter der Alldeutschen im Reichsrat) und Dr. Alfred Bernardin (Landtagsabgeordneter der Alldeutschen Partei).
Der Ausschuss wählte den Entwurf des Architekten Rolf Beier aus Eger zur Ausführung aus.
Am 22.05.1909 wurde in der Zeitung von Eger ein Spendenaufruf zur Finanzierung des Turmes gestartet. Im Juni 1909 wurde der Grundstein des Turmes gelegt.
Innerhalb kurzer Zeit waren genügend Spendengelder eingegangen, so dass bereits im Sommer 1909 mit dem Bau des Turmes begonnen werden konnte.
Die Gesamtkosten des Turmbaus sind nicht bekannt.
Bauarbeiten
Die Bauarbeiten fanden zwischen Juni und September 1909 statt. Als Baumaterial wurden Bruchsteine aus dem Schiefergestein des Grünbergs sowie Zementbeton verwendet.
Mit der Durchführung der Arbeiten wurde Maurermeister Georg Zuber aus Lapitzfeld beauftragt.
Bauherren waren der Egerer Verschönerungsverein und die Stadtgemeinde Eger.
Turmbeschreibung (zur Zeit der Einweihung)
Der 18 m hohe Aussichtsturm mit Befeuerungseinrichtung hat einen quadratischen Grundriss.
Über eine Außentreppe mit sieben Stufen erreicht man die auf der Eingangsebene gelegene Tür (ursprünglich massive eiserne Eingangstür) des Bauwerks. Auf der Eingangstür wurde mittig ein großes rundes Wappenschild mit einem sechszackigen Stern angebracht. Die Tür wurde oben und unten durch ein Schwertrelief verziert.
Die Eingangsebene ist baulich etwas zurückgesetzt. Die Basis des Turmes und der eigentliche Turmschaft sind an den vier Seiten durch Säulenblöcke (vier Säulen über mit Kapitell), mittig auf jeder Seite durch ein Säulenpaar (zwei nebeneinander liegende Säulen mit Kapitell) optisch voneinander getrennt.
Hinter der Eingangstür führt eine Wendeltreppe im Innern mit insgesamt 65 Granitstufen zum Rednerbalkon oberhalb des Einganges und dann weiter zur Aussichtsplattform. Die Mitte der Plattform wurde, gestützt durch Pfeiler, von einer Kuppel mit Feuerschale überdacht. Die Treppenhauswände wurden mit 43 Granitplatten verschiedener Größen und Runeninschriften ausgestattet.
Im Treppenhaus wurde unterhalb des Fensters auf der Frontseite ein Steinrelief mit einem evangelischen Symbol (Osterlamm mit Kreuz und weißem Tuch, symbolisiert die Auferstehung nach dem Tode) angebracht.
Oberhalb des Rednerbalkons wurde ein Bismarck-Relief in Bronze eingelassen, welches von Bildhauer Pfrötzschner aus Berlin-Charlottenburg gefertigt worden war.
Folgende Wappen/Symbole wurden erst nach der Einweihung (zwischen 1909 und 1918) angebracht:
Rechtsseitig des Bismarck-Wappens wurde ein Wappen von Martin Luther (fünfblättrige Rose mit einem Herz und einem Kreuz in der Mitte) befestigt. Dieses Wappen war ein Geschenk des ehemaligen Vikars Hans Lehmann aus Königsberg (Böhmen).
Auf der vom Eingang gesehen rechten Seite des Turmes wurden ebenfalls zwei Wappen eingelassen. In etwa 7 m Höhe wurde linksseitig ein Bismarck-Wappen, rechtsseitig auf gleicher Höhe wurde das Symbol (Flügelrad) von Georg Ritter von Schönerer (Führer der "Alldeutschen" in der Ostmark, Erbauer des Bismarckturmes in Rosenau/Österreich) angebracht.
Turmgeschichte
Am 03.10.1909 wurde der Bismarckturm feierlich eingeweiht. Ein Festzug von ca. zweitausend Bürgern bewegte sich vom Kaiser-Joseph-Denkmal durch die Stadt Eger zum Grünberg. Der Bismarckturm wurde vom Vorsitzenden des Bauausschusses nach einer Festrede an die Stadt Eger übergeben.
Nach Angaben der Zeitung der Alldeutschen Partei (Egerer Neueste Nachrichten) nahmen 12.000 Festteilnehmer an der Einweihung teil.
Im August 1913 wurde der Bau einer Schutzhütte von Max Künzel angeregt. Nach dem Entwurf des Architekten Rolf Beier aus Eger wurden 1914/1915 zwei Blockhäuser mit Egerländer Fachwerksgiebel (Gaststätte und Unterkunftsbau) von den Baumeistern Kreuzer und Leistner unterhalb des Turmes errichtet. Die Einweihung beider Gebäude erfolgte am 01.04.1915. Diese Häuser wurden vor 1965 zerstört.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stand das Bauwerk im militärischen Sperrgebiet und geriet in Vergessenheit. Der Turm wurde zudem zunehmend von Bäumen verdeckt und war von der deutschen Seite aus nicht mehr zu erkennen.
Im Jahr 1973 wurde 200 m vom Bismarckturm entfernt ein Fernsehturm errichtet.
Lediglich Grenzsoldaten und ausgewählte Mitarbeiter eines Fernsehsenders durften dieses Gebiet betreten.
Auf einem Wegweiser auf den Grünberg wurde der Turm bis 1999 als "abgebrochen" bezeichnet. In deutschen und tschechischen Wander- und Landkarten wurde der Turm teilweise nicht aufgeführt oder als "abgerissen" angegeben.
Die Egerer Zeitung berichtete seit Mai 1990 zwar mehrfach vom mit Drahtzaun eingezäunten Turm, doch außerhalb von Eger wurde dies nicht wahrgenommen. In einer tschechischen TV-Serie (ca. 1999) über Aussichtstürme in Tschechien wurde auf diesen Turm von Professor Jan Nouza (Universität Liberec) erstmals im TV aufmerksam gemacht, doch blieb der mittlerweile sanierungsbedürftige Turm weiterhin unbeachtet.
Bis Ende August 2001 war im deutschsprachigen Gebiet offiziell nicht bekannt, dass dieser Bismarckturm noch erhalten ist.
Holger Wittig aus Greiz meldete im Sommer 2001, nachdem er auf dieses Portal aufmerksam geworden war, dass dieser Bismarckturm existiert. Er dokumentierte den Zustand des Turmes u.a. durch Fotos.
Das Bismarck-Relief wurde zwischen dem 19. September 1993 und August 2001 entfernt.
Der Treppenaufgang (bis auf die unteren Stufen) und die Innenwände waren im Jahr 2001 noch in gutem Zustand. Die eiserne Eingangstür war verbogen und angerostet, der Rednerbalkon noch erhalten. Das Geländer der Aussichtsplattform fehlte fast vollständig. An der Einfassung des noch erhaltenen Feuerschalengestells bröckelte der Beton. Der obere Feuerschalenaufsatz war ebenfalls nicht mehr vorhanden.
Zwischen August 2001 und Anfang 2005 wurde die massive Eingangstür entfernt und durch eine Gittertür ersetzt. Die steinerne Lutherrose wurde im Jahr 2002 entfernt.
Der Turm wurde im August 2002 gesperrt. Die Stadtverwaltung Eger kaufte dem Staat das Grundstück unterhalb des Bismarckturmes ab.
Das Bauwerk wurde bis Juni 2005 für zwei Millionen Kronen komplett saniert. Die sichtbehindernden Bäume im Aussichtsbereich des Turmes wurden beseitigt.
Bereits am 12.06.2005 ab 10:00 Uhr fand am Turm ein Touristenfest statt, welches von der Stadt Cheb in Zusammenarbeit mit der Stadt Waldsassen organisiert worden ist. Touristenmarken (Plaketten mit Motiven) und Infomaterial wurden ausgegeben.
Das 100-jährige Jubiläum des Turmes wurde am 20.06.2009 begangen.
Öffnungszeiten (Stand: August 2024)
Vom 01.04. bis 30.09. täglich von 09:00 bis 18:00 Uhr
Links
Koordinaten und Kartenmaterial
Quellen
- Seele, Sieglinde: Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 125
- Seele, Sieglinde: Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-TURM von EGER (Böhmen)
- Zeitschrift des Bismarck-Bundes; 8. Jahrgang 1910 (Nr. 1/2, S. 19-20)
- von Bismarck, Valentin: Bismarck-Feuersäulen u. Türme (unveröffentlichtes Manuskript); Nr. 163 "Bismarckfeuersäule bei Eger in Böhmen", 1900 - 1915, 1937 (im Archiv der Burschenschaft Alemannia, Bonn)
- Pöllmann, Werner: "100 Jahre Aussichtsturm auf dem Grünberg in Eger - Ein Bismarckturm, der keiner sein durfte", 20.06.2009 (übermitteltes Word-Dokument des Verfassers)
- Steffen, Claus: "Bismarcktürme und Bismarcksäulen" in ASSKO-Ascherländchen, Nr. 10 (2002), S. 47
- Wittig, Holger: Dokumentation des Bauzustandes in Worten und Bildern, August/September 2001
Fotografen
- Werner Pöllmann, Markneukirchen (19.09.1993)
- Holger Wittig, Greiz (August / September 2001)
- Ralph Männchen, Dresden (April + August 2005 und August 2008)
- Hans-Dieter Hirschmann, Haßloch (September 2013)
- Jörg Bielefeld, Leverkusen (Mai 2018)
- Thomas Fischer, Waldsassen (August 2024)
Übersichtskarte Standort Bismarckturm
Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.
Bildergalerie Bismarckturm Eger (Cheb)
Foto Bismarckturm Eger August 2024
Foto Bismarckturm Eger August 2024
Foto Bismarckturm Eger August 2024
Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen
Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)
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