Bismarckturm im Konzertgarten
Der Bismarckturm in St. Pauli / Hamburg
Vorbemerkungen 1 („Der Trichter“)
An der Reeperbahn 100 (Südseite, dem sog. Spielbudenplatz, direkt hinter dem Millerntor) befand sich seit 1805 der sog. "Trichter", ein hölzerner Erfrischungspavillon, dessen Dach wie ein Trichter aussah und vom Volksmund daher "Trichter" genannt wurde.
Dieser Pavillon wurde aufgrund der Nähe zur Innenstadt und der landschaftlich schönen Lage zu einem beliebten Ausflugsziel.
Im Dezember 1813 wurde der Trichter und weitere Gebäude im Umfeld von den französischen Besatzern niedergebrannt, um für eine mögliche Belagerung der Russen ein freies Schussfeld zu haben.
Nach dem Abzug der Franzosen im Mai 1814 begann der Wiederaufbau. Der im Jahr 1820 eröffnete neue, größere Trichter war nun ein achteckiger Gartenpavillon mit integriertem Kupferofen, mehreren Lauben, offenen Veranden und Billardräumen, welcher vorwiegend vom Bildungsbürgertum aufgesucht wurde.
Aufgrund der zunehmenden Industrialisierung und der damit verbundenen wachsenden Anzahl von Arbeitern in Hamburg wuchs der Bedarf an "leichter Unterhaltung". So nahm die Anzahl der Gäste des Trichters immer weiter ab.
Im Jahr 1869 ließ der neue Eigentümer Ludwig Mutzenbecher den Holzpavillon abreißen und errichtete an dieser Stelle "Mutzenbechers Bierhalle" als massiven Bau. Nach der Eröffnung der Bierhalle am 17.11.1870 wurden sonntags zunächst Frühschoppen-Konzerte und später jeden Tag Promenaden-Konzerte durchgeführt. Das umgebende Grundstück wurde ebenfalls zu einem Biergarten umgebaut. Im dazugehörigen Restaurant konnte man "à la carte" essen.
Ab dem 21.05.1888 wurde das Gelände komplett um- und neu gebaut. Am 21.12.1889 eröffnete "Hornhardt's Etablissement".
Vorbemerkungen 2 ("Hornhardt’s Etablissement“ und Nachfolger)
"Hornhardt's Etablissement" wurde von den Architekten Gustav Zinnow und Hugo Stamman als großer Gebäudekomplex mit einem mehrstöckigen Haupthaus (Höhe 53 m) und mehreren Nebengebäuden sowie einem Aussichtsturm errichtet.
Das Hauptgebäude erhielt ein trichterförmiges Dach, welches den Bezug zu den alten Trichter-Bauten auf demselben Gelände herstellen sollte.
Der 30 m hohe Aussichtsturm hatte eine umlaufende Galerie und eine helle elektrische Beleuchtung, welche "als die intensivste der ganzen Umgebung" bezeichnet wurde.
Bei Hornhardt konnte man für einen Eintritt von 20-50 Pfenning Eintritt Bier trinken, dabei Militärmusik hören, tanzen, Varieté-Programme sehen und abends Feuerwerke bewundern. In den Nebengebäuden gab es u.a. einen Bierkeller, einen in vier Salons gegliederten Billardsaal, einen Speisesaal der Restaurationshalle sowie einen Bismarck-Saal. In der Konzertmuschel im Garten traten Orchester auf.
Aufgrund zurückgehender Besucherzahlen musste das Etablissement im Jahr 1899 schließen.
Ab 1900 wurde die Hausnummernzählung geändert, aus Reeperbahn 100 wurde Reeperbahn 1.
Im Jahr 1902 eröffnete Gastronom August Kiene in den Gebäuden des ehemaligen Etablissements das Restaurant Kiene mit dem Zusatz "vormals Hornhardt".
In den Jahren 1901 bis 1906 wurde im nur 280 m Luftlinie entfernten Elbpark das Bismarck-Denkmal im Hamburger Elbpark (Gesamthöhe 34,30 m) errichtet.
Im Jahr 1909 verkaufte A. Kiene den Betrieb an Carl Clausen, der die Lokalität zunächst "Clausens Restaurant" und ab 1910 Clausens Etablissement nannte und ein ähnliches Rahmen-Programm wie Hornhardt (Musik, Varieté u.a.) bot. Ab 1916 nannte C. Clausen seinen Betrieb in "St. Pauli Trichter" um. Nach 1920 waren die Biergärten in St. Pauli immer weniger beliebt, das Gelände des Trichters verwilderte immer mehr und wurde nur noch ab und zu als Rummelplatz genutzt.
Turmbeschreibung
Der prunkvoll gestaltete, ca. 30 m hohe Aussichtsturm mit elektrischer Beleuchtungsfunktion war direkt an das große rundbogige Eingangsportal angeschlossen.
Der viereckige Turm hatte in ca. 20 m Höhe eine umlaufende Aussichtsplattform mit Brüstung. Der Turmkopf wies acht kleinere Zier-Giebel auf und war mit einer großen Laterne bekrönt.
Turmgeschichte Teil 1
Anlässlich der Einweihung der Bismarcksäule Friedrichsruh am 21.06.1903, zu der über tausend Studenten nach Hamburg reisten (die Hamburger Bürgerschaft stellte Übernachtungsmöglichkeiten in Hamburg zur Verfügung), wurde im Etablissement Hornhardt eine Ausstellung gezeigt.
Der Aussichtsturm als „Bismarckturm“
Der Aussichtsturm wurde nach Übernahme durch August Kiene (zwschen 1902-1906) in Bismarckturm umbenannt.
Die nachträgliche Benennung des Turmes als "Bismarckturm" wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Einweihung des benachbarten 34,30 m hohen Bismarck-Denkmals im Hamburger Elbpark am 02.06.1906 in Zusammenhang stehen. Möglich ist auch die Umbenennung des Turmes durch den Studentenbesuch am 21.10.1903 und die diesbezüglich Ausstellung. Der Bismarckturm konnte zudem, wie andere Bismarcktürme auch, oben (elektrisch) hell erleuchtet werden (siehe auch elektrische Beleuchtung beim Bismarckturm Mülheim an der Ruhr).
Von der Aussichtsplattform des Bauwerks hatte man eine gute Sicht auf das 280 m östlich befindliche Bismarck-Standbild. Die Besucher der Gartenwirtschaft bzw. des Konzertgartens hatten somit jederzeit die Möglichkeit, einen Blick auf den steinernen Bismarck und auf andere Sehenswürdigkeiten von St. Pauli / Hamburg zu werfen.
Turmgeschichte Teil 2
Im Jahr 1926 wurde der Garten mit dem großen Kinokomplex „Schauburg St. Pauli“ und dem „Speisehaus Nagler“ überbaut, dabei wurde auch der Bismarckturm abgerissen. Alle weiteren Bauten wurden bei Fliegerangriffen zwischen 1942 und 1945 zerstört.
Der ehemalige Standort des Turmes lag in der heutigen Straße "Beim Trichter".
Im Jahr 1969 wurde auf den Resten der Bauten das "Astra-Bowling-Gebäude" errichtet.
Der Standort des Bismarckturmes lag westlich des Zirkuswegs, nahe des Baugrundstücks der 2012 errichteten "Tanzenden Türme" in Hamburg.
Links (ehemaliger Standort)
Koordinaten und Kartenmaterial
Historisches Messtischblatt mit genauem ehemaligen Turmstandort
Quellen
- Pini, Udo: Zu Gast im alten Hamburg, Hugendubel, München, 3. Aufl. 1997, S. 150-153
- 100 Jahre Vereinigung Hamburger Akademikerverbände 1903 – 2003, Herausgeber: Akademischer Bismarck-Ausschuss, Festschrift, S. 22
- Korrespondenz mit dem St.-Pauli-Archiv und dem Staatsarchiv Hamburg (September 2004)
- hamburger bauheft 08: "Beim Trichter - Reeperbahn 1"; Herausgeber: Florian Afflerbach und Dr. Jörg Schilling, Text: Eva Decker, Schaff-Verlag, Hamburg 2014
Übersichtskarte Standort Bismarckturm
Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.
Bildergalerie ehemaliger Bismarckturm Hamburg
Ansichtskartenmotiv St. Pauli-Millerntor mit Carl C.E. Clausens Konzertgarten und Bismarckturm undatiert (mit Blick auf das Bismarckdenkmal)
Ansichtskartenmotiv St. Pauli-Millerntor mit Hornhardt's Konzertgarten und Bismarckturm 1896
Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen
Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)
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