Vom Wartturm zum Bismarckturm
Der Bismarckturm in Wetzlar
Vorbemerkungen
Die Garbenheimer Warte war früher Teil der Stadtbefestigung und soll in ihrer ursprünglichen Form im 14. oder 15. Jahrhundert errichtet worden sein. Die Warte diente zur Abwehr von Feinden und war früher mit einem Graben versehen. Der Eingang lag mehrere Meter über dem Boden und war nur über eine Leiter erreichbar. Die Warte wurde in den folgenden Jahrhundert mehrmals umgebaut.
Bauplanung
Der Bau dieses Bismarckturmes wurde vom damaligen Landrat des Landkreises Wetzlar, dem Geheimen Finanzrat Dr. Adolf Goedecke, anlässlich einer Bismarck-Geburtstagsfeier in der Kasinogesellschaft zu Wetzlar am 01.04.1898 angeregt (andere Quellen geben Joseph Raab aus Wetzlar als Ideengeber an).
Landrat Dr. Goedecke griff den Plan, einen Bismarckturm in Wetzlar zu errichten, im April 1900 in einer Versammlung des Alldeutschen Verbandes wieder auf.
Daraufhin wurde ein geschäftsführender Ausschuss zur Errichtung einer Bismarck-Warte unter Vorsitz des Direktors der Kreissparkasse und Landtagsabgeordneten Peter Schlabach aus Wetzlar gegründet.
Als Standort wählte man den Lahnberg oberhalb der Stadt Wetzlar. Auf dem Lahnberg stand ein alter, aber noch gut erhaltener Wartturm (Wöllbacher- oder Garbenheimer Warte), der zu einem Bismarckturm umgebaut werden sollte. Die Stadt Wetzlar stellte die Warte für den Umbau zur Verfügung, die Behörden des Kreises und der Provinz stimmten dem Umbau zu.
Durch Spenden konnten die Baukosten von ca. 5.500 Mark innerhalb kurzer Zeit aufgebracht werden. Die Buderus’schen Eisenwerke beteiligten sich mit einer Spende von 800 Mark. Die weiteren Kosten wurden durch Spenden der Bürgerschaft, der Kreiseinwohner und Bismarck-Verehrern bestritten. Durch preisgünstige Lieferungen der beteiligten Firmen konnten die Umbau-Baukosten sehr niedrig gehalten werden.
Bauarbeiten (Umbau)
Die Bauausführung erfolgte ab Frühjahr 1901 durch die Baufirma August Nicolai aus Wetzlar.
Die Umgestaltung erfolgte nach Plänen des Kreisbaumeisters Witte aus Wetzlar, der auch die Bauleitung übernahm.
Etwa 2,5 m der alten Warte wurde im oberen Bereich abgetragen, auf der Plattform wurde mittig ein Feuerschalenaufsatz mit eingemauerten Feuerkorb aufgesetzt. Die alte, zerstörte Innentreppe wurde durch eine neue Treppe ersetzt. Die Außentreppe wurde seitlich an die Warte gebaut, um den erhöht liegenden Eingang erreichen zu können.
Als Baumaterial verwendete man Basalt-Bruchsteine, die teilweise kostenlos von der Firma Oscar Graff geliefert wurden, sowie Kalksteine. Teilweise wurde Abbruchmaterial der alten Stadtmauer am Wöllbachertor verwendet.
Die Eisenteile lieferte die Firma Gebr. Röchling aus Saarbrücken.
Turmbeschreibung
Der 18 m hohe Aussichtsturm mit Befeuerungsmöglichkeit behielt nach dem Umbau seinen wehrhaften und mittelalterlichen Wartturm-Charakter. Eine seitliche angebaute Außentreppe windet sich bis zum spitzbogigen Eingangsbereich und bildet dort einen kleinen Altan. Unterhalb des Altans ist an der Außenseite die Inschrift (Gedicht von Rektor Luerssen)
Schier ein halbes Jahrtausend
steh' ich auf ragender Höhe.
Kündete treulich der Stadt
wenn sich der Feind ihr genaht.
Jetzt auf höherer Warte ver-
künd ich flammend dem Reiche:
Sieghaft dauert das Werk,
sank auch der Meister ins Grab.
1901
angebracht. Oberhalb des Eingangsbereich wurde ein Bismarck-Wappen, eingerahmt von der Inschrift
Unserm
BISMARCK
eingelassen.
Über die Außentreppenanlage mit 24 (5 + 19) Steinstufen erreicht man den Eingang. Beim Umbau wurde eine neue Wendeltreppe eingebaut. Seitdem ist der Turmumgang über 37 (17 + 20) Steinstufen des inneren Treppenhauses erreichbar.
Auf der leicht auskragenden zinnenbekrönten Aussichtsplattform erhebt sich mittig der hoch herausragende Feuerschalen-Aufsatz, der auf einer Seite mit einer stufenartig hochgemauerten Zinne und einem Steg verbunden ist.
Auf den Aufsatz wurde ein Feuerkorb fest eingemauert, der von der Firma Gebr. Röchling aus Saarbrücken angefertigt worden war. Der Turm wurde an bestimmten Tagen mit Scheitholz und Petroleum befeuert.
Turmgeschichte
1901-1960
Nach einem guten halben Jahr (Um-)Bauzeit konnte der Bismarckturm am 18.10.1901 ab 15:00 Uhr feierlich eingeweiht werden.
An der Einweihungsfeier nahmen Mitglieder des Ausschusses, geladene Gäste (u.a. Regierungspräsident a.D. von Tieschowitz, Provinzial-Konservator Dr. Clemen, Dr. Goedecke), Vereine (Kriegervereine, der Schmidt'sche Männerchor, der Männergesangs- sowie der Turnverein), Schulen (Königliches Gymnasium, Volksschule, Präparandenanstalt) sowie zahlreiche weitere Zuschauer teil, die sich rings um die Warte mit Fahnen aufstellten.
Es wurden Festreden von Landrat Dr. Wilhelm Sartorius, Pfarrer Gründer, dem Landtagsabgeordneten Peter Schlabach sowie Bürgermeister Otto von Zengen abgehalten.
Baumeister Witte übergab den Turmschlüssel an den Vorsitzenden des geschäftsführenden Ausschusses, Peter Schlabach. Dieser dankte allen am Umbau Beteiligten und übergab den Schlüssel an Bürgermeister Otto von Zengen als Vertreter der Stadt Wetzlar. Bürgermeister von Zengen versicherte, "daß die Stadt und jeder Einwohner es sich angelegen sein wird, diesen Thurm als eine der schönsten Zierden der Umgebung Wetzlars zu schützen und zu pflegen."
Nach Einbruch der Dämmerung wurde – wie schon am 18.10.1814 zur Feier der Schlacht bei Leipzig auf der alten Wöllbacher- oder Garbenheimer Warte - das Bismarck-Feuer auf dem Turmkopf entzündet.
Anschließend fand die offizielle "Festfeier" im Schützengarten statt. Gymnasialdirektor Prof. Dr. Fehrs hielt im Schützengarten eine Ansprache, Rektor Luerssen hielt die Festrede, der Männergesangverein beteiligte sich mit "gemeinsamen Liedern und Vorträgen".
1961-heute
Im Jahr 1961 wurden Sanierungsarbeiten am Bismarckturm durchgeführt.
Zwischen Juli 2001 und Mai 2004 wurde am Turm eine Inschrifttafel angebracht.
Ende Juli 2013 wurde der Bismarckturm für Besucher gesperrt, da sich am Mauerwerk ein Stein gelöst hatte. Die Sanierungskosten wurden 2014 auf 350.000 € geschätzt. Das Bauwerk war im August 2017 durch einen Bauzaun abgesperrt, eine Sanierung ist bisher nicht erfolgt. Im Februar 2022 hatten die vorgesehenen Geldmittel für die Sanierung (25.000 € für 2022, 150.000 € für 2023) im Stadtparlament Wetzlar keine Mehrheit. Im Oktober 2022 war das Bauwerk durch einen Bauzaun weiterhin gesperrt.
Anfang 2024 soll über die Sanierung des Bismarckturmes im Wetzlarer Stadtparlament bei den Haushaltsberatungen verhandelt werden.
Öffnungszeiten (Stand: Juli 2024)
Der Bismarckturm Wetzlar ist weiterhin wegen Bauschäden gesperrt.
Links
Koordinaten und Kartenmaterial
360° Fotos (Bild 1 / Bild 2 / Bild 3 / Bild 4 / Bild 5)
Quellen
- Seele, Sieglinde: Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 406/407
- Seele, Sieglinde: Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-TURM (-WARTE) von WETZLAR (Hessen)
- von Bismarck, Valentin: Bismarck-Feuersäulen u. Türme (unveröffentlichtes Manuskript); Nr. 55 "Bismarck-Feuersäule zu Wetzlar", 1900 - 1915, 1937 (im Archiv der Burschenschaft Alemannia, Bonn)
- Zeitschrift des Bismarck-Bundes: 5. Jahrgang 1907 (Beilage: Die Bismarck-Feuersäule)
- Ehrhardt, Max: Bismarck im Denkmal des In- und Auslandes, Thüringische Verlags-Anstalt Eisenach-Leipzig, 1903, Nr. 114a "Der Bismarck-Turm zu Wetzlar"
- Lieder-Heft: "Einweihung des Bismarckthurms zu Wetzlar am 18. Oktober 1901"
- "Der Burgwart", 6. Jg. 1904, Nr. 2 (November), S. 13-17: "Die Wetzlarer Stadtbefestigung"
- Mitteilungen des Wetzlarer Geschichtsvereins: 1. Heft 1906, S. 34; 35. Heft 1991, S. 197
- Dr. August Schoenwerk: Geschichte von Stadt und Kreis Wetzlar, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage von Herbert Flender, Pegasus Verlag Wetzlar 1975, S. 116-117
- Lindenthal, Bernd: „Auch die Wetzlarer setzten dem „Eisernen Kanzler“ ein Denkmal“, Special Heimatgeschichte auf www.lahn-dill.de vom 14.10.2001
- Wetzlarer Anzeiger: 18.10.1901: "Zur Weihe des Wetzlarer Bismarckthurms"
- Wetzlarer Anzeiger: 20.10.1901: "Die Weihe des Wetzlarer Bismarckthurms"
- Wetzlarer Anzeiger: 21.10.1901: "Die Weihe des Wetzlarer Bismarckthurms (Schluss)"
Fotografen
- Jörg Bielefeld, Leverkusen (2001, April 2008)
- Christian Gerloff, Jena (Oktober 2011)
- Karina Scheld, Siegen (April 2015)
- Richy Schurwald, Kelkheim (August 2017)
- Hans-Dieter Hirschmann, Haßloch (September 2022)
Übersichtskarte Standort Bismarckturm
Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.
Bildergalerie Bismarckturm Wetzlar
Ansichten (Zeichnungen) der alten Garbenheimer Warte um 1870
Foto Bismarckturm Wetzlar 2001
Foto Bismarckturm Wetzlar 2001
Foto Bismarckturm Wetzlar April 2008
Foto Bismarckturm Wetzlar August 2017
Foto Bismarckturm Wetzlar (Treppenhaus) August 2017
Foto Bismarckturm Wetzlar September 2022
Foto Bismarckturm Wetzlar September 2022
Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen
Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)
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