Wiesbaden

Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Wiesbaden Probebau um 1910

Ehemaliger Standort

Bierstadter Höhe



Datenblatt


Höhe: 50 m

Eröffnung: 22.05.1910


Abriss: Dezember 1917 (oder 1918/19)


Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Wiesbaden Probebau um 1910

Der Wiesbadener Eiffelturm
Der Bismarckturm in Wiesbaden


Vorbemerkung

Der höchste jemals gebaute Bismarckturm war ein 50 m hohes, hölzernes Provisorium, welches nach nur 7-8 Jahren abgerissen werden musste.

Der Holzturm wurde im Juni 1910 auf der Bierstadter Höhe (198 m über NN), ca. 800 m westlich der 1473 errichteten Bierstadter Warte, zur Bestimmung der Lage und Höhe einer geplanten massiven Bismarcksäule aufgestellt. Das riesige Bauwerk wurde im Volksmund "Wiesbadener Eiffelturm" genannt.


Bauplanung (Teil 1)

Aus Anlass der Enthüllung des Bismarck-Denkmals auf dem Wilhelmplatz (Bismarckplatz) in Wiesbaden am 08.10.1898 kam der Gedanke auf, in Wiesbaden einen steinernen Bismarckturm mit elektrischem Fahrstuhl zu errichten. Das Komitee des Bismarck-Denkmals erklärte sich bereit, den Überschuss des Denkmalfonds für den Bismarckturm zu spenden.

Aus finanziellen Gründen konnte der Plan des Baus eines Bismarckturmes zunächst nicht ausgeführt werden. Anfang 1907 wurde dieser Gedanke wieder aufgegriffen.

Für den 10.04.1907 hatte Regierungsrat Kantel am 05.04.1907 zu einer Versammlung im Wahlsaal des Rathauses eingeladen, auf der ein geschäftsführender Ausschuss für die Errichtung einer Bismarcksäule in Wiesbaden gewählt wurde. Dem erweiterten Ausschuss gehörten 129 "hiesige und auswärtige Herren" an. An die Spitze des engeren Ausschusses wurden Regierungsrat Kantel, Kommerzienrat Bartels, Stadtverordneter Wilhelm Neuendorff (Schriftführer) und Bankier Dr. Fritz Berlé (Schatzmeister) gewählt.

Als Bauplatz wählte der Ausschuss einen 26.000 m² großen "freiragenden Platz mit prachtvoller Rundsicht" auf dem Bierstadter Berge in der Nähe der Bierstadter Warte.

Im Dezember 1907 / Januar 1908 erschien ein "Aufruf zur Errichtung einer Bismarck-Säule (Bismarck-Thurm) bei Wiesbaden" in der örtlichen Zeitung für einen 50 m hohen Turm. Als Baukosten waren 100.000 Mark veranschlagt.

Bis Anfang 1909 waren allerdings erst 26.000 Mark an Spenden zusammengekommen.

Am 02.09.1909 fand im Kurhaus Wiesbaden ein "Monster-Konzert" zum Besten des Bismarckturmes statt.

Bei einer Sitzung des engeren Ausschusses Anfang September 1909 wurde festgestellt, dass die Spenden weiterhin nur spärlich flossen.

Dem Vorschlag des Architekten- und Ingenieurvereins, auf dem Bauplatz zunächst ein 50 m hohes provisorisches Gerüst aufzustellen, welches bis zu einer Höhe von ca. 25 m für Besucher besteigbar war, wurde zugestimmt. Ein Flaggenmast mit Korb sollte die genaue Höhe der späteren Bismarcksäule kennzeichnen.

Die geplante Fertigstellung des hölzernen Gerüstes für Februar/März 1910 konnte nicht eingehalten werden. Die Fundamentierungsarbeiteten starteten im April 1910.


Bauarbeiten (Holzturm)

Die Beton-Fundamentierungsarbeiten wurden von der Fa. Dyckhoff & Widmann aus Biebrich durchgeführt. Die Zimmererarbeiten übernahm die Fa. Carstens aus Wiesbaden. Beide Firmen arbeiteten zum Selbstkostenpreis. Als Baumaterial wurden 30 m³ Holz verwendet.

Anfang Mai 1910 wurde der Turmsockel mit Brettern verschalt.

Am 14.05.1910 erfolgte die Bauabnahme des Gerüstes, das nach Fertigstellung neben der Bezeichnung "Bismarckturm" auch „Wiesbadener Eiffelturm“ genannt wurde.

Am So., 22.05.1910 wurde das Gerüst für Besucher frei gegeben. Erwachsene Besucher zahlten 20 Pfennig, Schüler, Studenten und Soldaten 10 Pfennig für den Eintritt. Die Eintrittsgelder sollten für den Bau der massiven Bismarcksäule verwendet werden.

Im Sockel des Gerüstes wurde eine kleine abschließbare Schutzhütte für den Turmwärter aufgestellt. In der Schutzhütte lagerten einige Bänke, Stühle und Tische.


Bauplanung (Teil 2)

Die offizielle Genehmigung zum Bau der Bismarcksäule erfolgte am 19.05.1910. Diese sollte einige Meter vom hölzernen Provisorium entfernt (Bauplatz 3 m höher auf 201 m über NN) in Richtung Bierstadter Warte errichtet werden.

Im Dezember 1910 wurde ein "Zweiter Aufruf für die Bismarck-Säule (=Turm) bei Wiesbaden" veröffentlicht. Hier wurde zu weiteren Spenden aufgerufen, um die geplante massive Bismarcksäule aus "wetterfestem, wirkungsvollen Baustoff" mit elektrischem Fahrstuhl errichten zu können.

Bis Ende Dezember 1911 konnte der Turmbaufonds auf insgesamt gut 47.000 Mark gesteigert werden.

Bei einer Sitzung des engeren und des weiteren Ausschusses am 23.03.1912 wurde vom 1. Vorsitzenden Kantel der Vorschlag gemacht, die Namen der Spender von 5.000 Mark oder mehr auf einer speziellen Ehrentafel in der geplanten Gedächtnishalle des Turmes zu verewigen. Der Vorschlag wurde angenommen. Zudem wurde beschlossen, dass der Turmbau ab einer Spendensumme von 70.000 Mark starten sollte. Die Durchführung eines speziellen Entwurfs-Wettbewerbes wurde abgelehnt.

Für den provisorischen Bismarckturm wurde 1912 ein neuer Turmwart eingestellt. Das Bauwerk war jährlich ab dem 01.04. an Vor- und Nachmittagen geöffnet. Am 01.04.1912 (Bismarcks Geburtstag) wurde das Bauwerk mit einer Flagge geschmückt.

Am 08.12.1912 ab 19:30 Uhr veranstaltete der Männer-Turn-Verein Wiesbaden ein Schauturnen im Paulinenschlösschen zu Gunsten der Bismarcksäule. Im Jahr 1913 erhöhte sich der Turmfonds um weitere 18.000 Mark auf insgesamt 65.000 Mark.

Bei der Jahresversammlung des engeren und des weiteren Ausschusses am 16.03.1914 wurde festgestellt, dass die Spendensumme knapp 80.000 Mark betrug. Da für einen „würdigen Bau“ eines steinernen Bismarckturmes nun insgesamt 175.000 Mark benötigt wurden, wurde der Baubeginn verschoben. Es wurde geplant, zum 100. Geburtstag von Bismarck am 01.04.1915 den Grundstein legen zu können. Weitere Pläne zur Gewinnung zusätzlicher Spenden waren Blumenverkäufe und ein Kommers im Kurhaus.

Aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges konnten die Pläne zum Bau des steinernen Turmes nicht weiter verfolgt werden.


Turmbeschreibung (Holzturm)

Auf ein Beton-Fundament (Grundriss 9 m x 9 m) wurde ein sich nach oben verjüngender Holzturm als Aussichtsturm ohne Befeuerungsmöglichkeit errichtet. Die obere Aussichtsplattform war 2,50 m x 2,50 m breit.

Über eine Treppenanlage konnte man die erste Besucherplattform in ca. 26 m Höhe erreichen. Von hier aus konnten mutige Bürger auf eigene Gefahr über fest angebrachte Leitern die oberste Aussichtsplattform in 50 m Höhe erklimmen.


Turmgeschichte

Turmwärter des Holzturmes war Schutzmann a.D. Schulze, der das Provisorium ab dem 22. Mai 1910 für Besucher öffnete.

Im Mai 1915 wurde der Holzturm "aus landespolizeilichen Gründen" für Besucher gesperrt. Es wurde ein Beobachtungsposten für die Flugabwehr auf dem Turm eingerichtet.

im Dezember 1917 war der Bismarckturm nicht mehr standsicher und "wurde niedergelegt" [Nassauischer Anzeiger vom 15.12.1917]. Nach anderen Quellen wurde das hölzerne Provisorium im Jahr 1918 bzw. im Januar 1919 abgerissen.

Die geplante massive Bismarcksäule wurde nie verwirklicht.


Links (ehemaliger Standort)

Google Maps

Koordinaten und Kartenmaterial


Quellen

- Seele, Sieglinde: Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 407/408
- Seele, Sieglinde: Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-TURM von WIESBADEN (Hessen)
- Zeitschrift des Bismarck-Bundes: 5. Jahrgang 1907 (Nr. 7/8, S. 103; Nr. 12, S. 216), 6. Jahrgang 1908 (Nr. 4, S. 58), 7. Jahrgang 1909 (Nr. 4, S. 67), 8. Jahrgang 1910 (Nr. 1/2, S. 22; Nr. 4, S. 63), 10. Jahrgang 1912 (Nr. 6, S. 76), 12. Jahrgang 1914 (Nr. 4/5, S. 51)

- Aufruf zur Errichtung einer Bismarck-Säule (Bismarck-Thurm) bei Wiesbaden (1907)

- Zweiter Aufruf für die Bismarck-Säule (=Turm) bei Wiesbaden (1910)

- Wiesbadener Tagblatt: 11.04.1907; 12.04.1907

- Wiesbadener Generalanzeiger: 12.04.1907; 12.11.1907, 28.11.1907; 31.12.1907; 05.01.1908; 13.03.1908; 02.04.1908; 29.05.1908; 28.07.1908; 28.09.1908; 08.12.1908; 25.02.1909; 16.07.1909; 24.08.1909; 27.08.1909; 31.08.1909; 22.12.1909; 03.02.1910; 05.02.1910; 07.02.1910; 18.05.1910; 30.08.1910; 14.09.1910; 02.09.1911; 04.04.1912; 04.05.1912; 05.12.1912; 07.12.1912; 01.04.1913; 19.05.1913; 16.10.1913; 20.10.1913; 03.12.1913;

- Wiesbadener Zeitung: 07.02.1910; 11.05.1910; 23.05.1910; 02.04.1914; 09.08.1914; 26.08.1914

- Hochheimer Stadtanzeiger: 11.01.1911

- Wiesbadener Neueste Nachrichten: 10.08.1914; 26.08.1914; 11.05.1915; 11.06.1917

- Nassauischer Anzeiger: 15.12.1917

- Bierstadter Nachrichten: xx.04.1960 - "BN" vor 50 Jahren (09.04.1910); xx.12.1970 - "Bierstadts Weg in die neue Zeit" (Arthur Selb)
- Mai, Bernd-Günther: „Die Bismarcksäule auf der Bierstadter Höhe“, Erbenheimer Anzeiger vom 17.02.1989

Übersichtskarte Standort Bismarckturm

Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.

Bildergalerie Bismarckturm Wiesbaden

Erster Aufruf zur Errichtung einer Bismarcksäule 1907/1908

Zweiter Aufruf zur Errichtung einer Bismarcksäule 1910

Zeitungsinserat "Monster-Konzert" für den Bismarckturm Wiesbaden am 02.09.1909

Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen

Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)

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