Schein-Bismarcktürme
Erklärungen und eine Kurzdefinition (Teil 1)
Auf alten Landkarten, historischen Ansichtskarten, in der Literatur und auch bei Wikipedia gibt es immer wieder Hinweise auf mutmaßliche Bismarcktürme, die im Infoportal Bismarcktürme nicht zu finden sind. Dabei handelt es sich meistens um klassische Bismarckdenkmäler oder Aussichtstürme, die häufig mit Bismarcktürmen verwechselt werden.
Nachdem ich seit Start des Infoportals im Mai 2001 immer wieder auf diese vermeintlichen Bestands-Lücken hingewiesen werde, möchte ich die Schein-Bismarcktürme auf dieser Seite kurz vorstellen.
Vorab werde ich - zwecks genauerer Einordnung - die Begriffe Bismarck-Denkmal, -Turm und -Säule genauer betrachten.
Kurz gesagt: Bismarck-Denkmal ist der umfassendere Begriff, hierunter fallen z.B. Standbilder, -Büsten und -Gedenksteine, aber eben auch Bismarcktürme bzw. Bismarcksäulen.
Ein Bismarckturm ist somit immer auch ein Bismarck-Denkmal, ein Bismarck-Denkmal kann aber auch andere Formen als ein turmartiges Bauwerk haben.
Beispiel:
Das Bismarckstandbild in Hamburg im Alten Elbpark mit 34,30 m Höhe wird - wie aktuell bei Wikipedia (Juli 2021) – fälschlicherweise als das größte Bismarck-Denkmal Deutschlands bezeichnet. Der Bismarckturm in Glauchau, der als 45 m hoher Turm auch ein Bismarck-Denkmal ist, ist deutlich größer und damit das höchste Bismarck-Denkmal Deutschlands (sogar weltweit). Das Hamburger Denkmal ist allerdings das höchste Bismarck-Standbild (Statue) weltweit.
Der Begriff "Bismarcksäule" ist seit dem Bismarcksäulen-Wettbewerb der Deutschen Studentenschaft vom 03.12.1898 mit dem prämierten Entwurf "Götterdämmerung" von Architekt Wilhelm Kreis besetzt.
Obwohl man unter "Säule" in der Architektur grundsätzlich eine senkrechte, zylindrische (runde) Stütze eines Daches versteht, entschied man sich beim prämierten Entwurf "Götterdämmerung" für einen Turm mit quadratischem Grundriss, der an vier Seiten Dreiviertelsäulen aufweist, die den Architrav stützen.
47 aller 240 Bismarcktürme wurden als "Götterdämmerung" (also als Bismarcksäule) errichtet. Heute werden die Begriffe Bismarcksäule und Bismarckturm oft synonym verwendet. In manchen Orten hat sich einer der beiden Begriffe durchgesetzt.
Die Benennung eines Bismarck-Denkmals als Bismarcksäule ohne die Funktion Aussichtsturm und ohne Befeuerungsmöglichkeit wie z.B. auf dem Feldberg im Schwarzwald (s.u.) ist daher oft missverständlich.
Zwecks Abgrenzung zum „klassischen“ Bismarck-Denkmal folgt hier eine Kurzdefinition des Begriffs Bismarckturm:
Kurzdefinition*:
Ein Bismarckturm ist ein Bismarck-Denkmal, welches in Form eines Turmes zwecks Verehrung von Otto von Bismarcks errichtet wurde. Die zwischen 1869 und 1934 erbauten Türme wurden grundsätzlich als Feuersäulen und / oder Aussichtstürme erbaut. Zudem wurden einzelne, bereits errichtete Türme später in Bismarcktürme umgewidmet.
Es gibt reine Feuersäulen (z.B. Friedrichsruh in Schleswig-Holstein), Aussichtstürme ohne Befeuerung (Auleben / Thüringen) aber auch Türme mit beiden Funktionen (Iserlohn in NRW).
*Hinweis:
Ausführliche Merkmale eines Bismarckturmes / einer Bismarcksäule, Infos über die Initiatoren und Befeuerungen sowie den vielfach ausgeführten Entwurf „Götterdämmerung“ auf der Startseite
www.bismarcktuerme.net, noch ausführlicher beschrieben im Buch „Bismarcktürme – Architektur, Geschichte, Landschaftserlebnis“ von Jörg Bielefeld und Alfred Büllesbach (S. 18-29).
Schein-Bismarcktürme
Auflistung in sechs Gruppen (Teil 2)
Hier werden die Bauwerke, die häufig mit Bismarcktürmen / Bismarcksäulen verwechselt werden, einzeln und in verschiedenen zusammengehörigen Gruppen vorgestellt,
1. Klassische Bismarck-Denkmäler statt Bismarcktürme / Bismarcksäulen
Hier werden turmartige Bismarck-Denkmäler vorgestellt, die in den Medien oder auch im Volksmund mit Bismarcktürmen oder Bismarcksäulen (Entwurf "Götterdämmerung") gleichgesetzt werden.
1.1 Bismarcksäule Bad Harzburg (Niedersachsen)
auch Bismarckstein oder Canossasäule genannt
Standort: Großer Burgberg
Höhe: 15,50 m
Einweihung: 26.08.1877
Beschreibung: mehrfach gestufter und am im oberen Bereich auskrangender Sockel auf dreistufigem Unterbau mit einem aufgesetzten, sich nach oben hin verjüngenden Obeliskenschaft (am Sockel Granitplatte mit bronzenem Bismarck-Relief, Nordseite mit Bismarck-Ausspruch)
Zustand: erhalten
Hinweis:
Bismarckstein ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
1.2 Bismarckstein Belgern (Sachsen)
Standort: Neuer Elbberg
Höhe: unbekannt
Einweihung: 1906
Beschreibung: turmartiger, mehrfach gestufter Gedenkstein auf quadratisch gemauerten Unterbau (mit Bismarck-Medaillon und Inschrift "BISMARCK")
Zustand: erhalten
Hinweis:
Bismarck-Denkmal (Bismarckstein) ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
1.3 Bismarcksäule Feldberg / Schwarzwald (Baden-Württemberg)
Standort: Feldberg, südöstlicher Gipfel
Höhe: 10 m
Einweihung: 04.10.1896
Beschreibung: Obelisk aus unregelmäßig aufgemauertern Feldsteinen (Granitfindlinge), die wie lose aufgeschichtet wirken (mit Bismarck-Medaillon auf der Ostseite)
Zustand: erhalten
Hinweis:
Bismarck-Denkmal (Obelisk) ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
1.4 Bismarcksäule Gunzenhausen (Bayern)
Standort: Burgstall-Wald auf dem sog. Schloßbuck
Höhe: ca. 7 m
Einweihung: 14.07.1901
Beschreibung: Obelisk mit zweistufigem Unterbau aus Steinen des früher hier verlaufenen Limes und der Römerwachttürme (mit Bismarck-Medaillon aus Bronze)
Zustand: erhalten
Hinweis:
Bismarck-Denkmal (Obelisk) ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
1.5 Bismarcksäule Meißen (Sachsen)
(nicht zu verwechseln mit dem hölzernen Bismarckturm auf dem Fürstenberg in Meißen)
Ehemaliger Standort: Jüdenberg (Bismarckhöhe)
Höhe: 14 m
Einweihung: 01.04.1885
Beschreibung: Metallsäule auf einem aus Felsstücken auskragenden achteckigen Sockel aus Sandsteinblöcken (mit Widmung und seit dem 01.04.1895 mit Bismarck-Medaillon am Sockel)
Zustand: Abriss zwischen 1945 - 1970
Hinweis: Bismarck-Denkmal ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
1.6 Bismarcksäule Ratibor (Polen)
nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen Bismarckturm in Ratibor)
Ehemaliger Standort: Alter Stadtpark
Höhe: unbekannt
Einweihung: unbekannt (vor 1900)
Beschreibung: pyramidenförmiges Bismarck-Denkmal aus Eisen auf einem steinernen Fundament (mit Bismarck-Medaillon)
Zustand: Abriss vor 1945
Hinweis: Bismarck-Denkmal ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
1.7 Bismarcksäule Rheydt (Mönchengladbach, NRW)
Standort: Kreuzungsbereich Brucknerstraße / Nordstraße
Höhe: ca. 3,50 m
Einweihung: 18.01.1896
Beschreibung: Obelisk aus Syenit auf zweistufigem Granit-Unterbau (vorne Bismarck-Medaillon aus Bronze)
Zustand: teilweise erhalten
Hinweis: Bismarck-Denkmal ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
1.8 Bismarcksäule Sankt Michaelisdonn (Schleswig-Holstein)
Standort: Auf dem Hoper Klev im Naturschutzgebiet
Höhe: 3,50 m
Errichtet: 1915
Beschreibung: Bismarck-Gedenkstein (Findling) mit Bismarck-Inschrift
Zustand: erhalten
Hinweis: einfacher Bismarck-Gedenkstein ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
1.9 Bismarcksäule Zeitz (Sachsen-Anhalt)
Ehemaliger Standort: Wasservorstadt auf Straßenkreuzung
Höhe: unbekannt
Einweihung: 02.09.1910
Beschreibung: obeliskenförmiger Kandelaber mit zwei seitlichen Laternenarmen auf einem ausladenden Unterbau (vorne Bismarck-Medaillon)
Zustand: Abriss vermutlich vor 1945
Hinweis: Bismarck-Denkmal mit Beleuchtung, aber ohne Feuersäulen-Funktion / kein Aussichtsturm
2. Falsche Turm-Bezeichnungen auf Ansichtskarten
Hierbei handelt es sich um Beschriftungs-Fehler der Kartenfirmen.
2.2 Aussichtsturm Georgsmarienhütte bei Osnabrück (Niedersachsen)
Ehemaliger Standort: unbekannt
Zustand: nicht mehr erhalten
Weitere Informationen über diesen ehemaligen Aussichtsturm liegen mir leider nicht vor.
Ansichtskartenmotiv Aussichtsturm Georgsmarienhütte undatiert (hier fälschlicherweise als "Bismarckturm" bezeichnet)
2.4 Aussichtsturm Hamburg-Blankenese
Es handelt sich hier um den Aussichturm auf dem Waseberg / Bismarckstein, der nahe eines geplanten Bismarcksteins (nicht verwirklicht) errichtet worden ist.
Standort: Waseberg / Bismarckstein
Errichtet: 1864
Zustand: erhalten
Ansichtskartenmotiv Aussichtsturm Blankenese undatiert, hier fälschlicherweise als "Bismarckturm" bezeichnet
2.5 Aussichtsturm Sorau (Polen)
nicht zu verwechseln mit dem Bismarckturm Sorau in Polen
auch als Blockhausturm bekannt
Standort: Taubenberg
Errichtet: 1864
Zustand: erhalten und restauriert
Ansichtskartenmotiv Aussichtsturm Sorau undatiert (hier fälschlicherweise als Bismarckturm bezeichnet)
3. Falsche Überlieferung
Im Volksmund werden und wurden diese Türme über Jahrzehnte immer wieder als Bismarcktürme bezeichnet, obwohl diese nachweislich nie zu Ehren Bismarcks errichtet worden sind.
3.2. Beobachtungs- / Triangulationsturm Rauen (Brandenburg)
In den Rauener Bergen war der Bau des Fürstenwalder Bismarckturmes geplant, zu dessen Ausführung es nie gekommen ist. Ein 1907 am Bauplatz errichteter Holzturm (Bebachtungsturm bis 1920, auch zur Aussicht freigegeben) sowie sein hölzerner Nachfolger (errichtet 1922) wurde teilweise als Bismarckturm bezeichnet.
Standort: Rauener Berge
Erichtet: 1907 / 1922
Hinweise auf Bismarck: keine
Zustand: beide Türme nicht mehr erhalten
4. Bismarckturm-Doppelgänger
Bauwerke, die starke Ähnlichkeit zum Bismarcksäulen-Entwurf "Götterdämmerung" des Architekten Wilhelm Kreis haben.
4.1 Gedenkturm Kapellendorf (Thüringen)
Turmartiges Denkmal in der Form des Bismarckturm-Entwurfs "Götterdämmerung" zur Erinnerung an die letzte Schlacht zwischen Preußen und Franzosen in Jena am 14.10.1806
Standort: Sperlingsberg
Höhe: 12 m
Einweihung: 14.10.1907
Zustand: erhalten
4.2 Kriegerdenkmal Ichtershausen (Amt Wachsenburg, Thüringen)
Turmartiges Kriegerdenkmal im Stil des Bismarckturm-Entwurfs "Götterdämmerung" mit schmalen Säulen und flachen Architrav.
Standort: Zwischen Unterer und Oberer Geraweg
Errichtet: Nach dem Ersten Weltkrieg
Zustand: erhalten
Weitere Informationen über das Denkmal liegen nicht vor.
4.3 Gefallendenkmal Langenweißbach (Sachsen)
Gefallenendenkmal (1. und 2. Weltkrieg) mit einfach gehaltenem turmartigen Aufsatz im Stil des Bismarckturm-Entwurfs "Götterdämmerung".
Erichtet: Nach dem Ersten Weltkrieg
Zustand: erhalten
Weitere Informationen über dieses Denkmal liegen nicht vor.
4.4 Denkmal Nis (Nisch), Serbien
Turmartiges deutsches Kriegerdenkmal in Form des Bismarckturm-Entwurfs "Götterdämmerung" mit breiten 3/4-Säulen in einfacher, gedrungener Ausführung.
Näheres über diese wahrscheinlich zerstörte Denkmal ist nicht bekannt.
4.5 Kriegerdenkmal Bruckneudorf (Österreich)
Turmartiges Kriegerdenkmal in Form des Bismarckturm-Entwurfs "Götterdämmerung" mit aufgesetztem säulenhallenartigen Abschluss (mit aufgesetzter Kuppel) und vorgelagertem Bassin mit Springbrunnen.
Standort: Lagerstraße
Höhe: 24 m
Einweihung: 1917
Zustand: erhalten
4.6 Brückenpfeiler Hochbahnbrücke Hamburg-St. Pauli
56 m lange Hochbahn-Brücke mit genieten Stahlbögen und mehreren massiven steinernen Widerlagern in Form des Bismarcksäulen-Entwurfs "Götterdämmerung".
Standort: Helgoländer Allee
In Betrieb genommen: 1912
Zustand: erhalten
4.7 Brückenpfeiler Eisenbahnbrücke Hochheim am Main (Hessen)
561 m lange Eisenbahnbrücke (Stahlfachwerk-Bogenbrücke) über den Main mit turmartigen Widerlagern im Jugendstil, welche an den Bismarcksäulen-Entwurf "Götterdämmerung" erinnern.
Standort: Hochheim, Bischofsheim
Eröffnung: 02.05.1904
Zustand: erhalten
5. Nachfolger von ehemaligen Bismarcktürmen
Nach Abriss zweier Bismarcktürme wurden an den ehemaligen Standorten neue Aussichtstürme erbaut. Vereinzelt werden diese Bismarcktürme genannt, obwohl es sich nicht um diese Bauwerke handelt.
5.2 Aussichtsturm Bad Bergzabern (Rheinland-Pfalz)
Hölzerner Aussichtsturm als Nachfolger des Anfang der 1950er Jahre abgerissenen Bismarckturmes (Bismarck-Pavillons).
Auf Beschilderungen wird der neue Turm fälschlicherweise als "Bismarckturm" ausgewiesen
Standort: Auf dem Neuberg
Höhe: 30 m
Errichtet: 1984
Zustand: erhalten
5.4 Fernsehturm Porta Westfalica (NRW)
Fernsehturm "Langer Jakob" als zweiter Nachfolger des 1952 abgetragenen Bismarckturmes mit Bismarck-Gedenkraum (ohne selbst ein Bismarckturm zu sein).
Standort: Jakobsberg
Höhe: 135m
Errichtet: 1979
Zustand: erhalten
6. Private Bismarckturm-Modelle
Hierbei handelt es sich um eingeständige Turmmodell-Entwürfe (keine Bismarckturm-Nachbauten) im Miniaturstil.
6.1 Bismarckturm-Miniaturmodell Alzey
Turm-Modell (Privatbesitz) in Form einer Burg
Standort: An der Poppenmühle (Poppenschenke), Alzey-Weinheim
Baujahr: um 1900
Hinweise auf Bismarck: Medaillon mit Motiv Bismarck-Büste (1982/83 gestohlen)
Zustand: erhalten
Nachbau-Modelle außerhalb der Liste
Neben den oben angeführten Bauwerken existieren auch einige Bismarckturm-Nachbauten (Modelle) von tatsächlichen Bismarcktürmen. Es handelt sich überwiegend um reine Hobby-Nachbauten von vorhandenen Türmen, daher werden die Modelle nicht in die Liste aufgenommen.
Die Ausführungen reichen von einfachen Holz-Nachbauten (z.B. als Spardosen für Turm-Vereine) bis zu maßstabsgerechten und detailreichen Bauwerken, die u.a. in Museen ausgestellt werden (Bismarckturm Lichtfelde).
Nachbau-Modelle aus Miniaturparks
In Miniaturparks in Deutschland stehen ebenfalls einige Bismarckturm-Nachbauten.
Quelle
- Sieglinde Seele: "Lexikon der Bismarck-Denkmäler", Michael Imhof Verlag, Petersberg 2005
Copyright ©
www.bismarcktuerme.net | www.bismarcktuerme.de
(2001 - 2024)
Jörg Bielefeld, Leverkusen
Alle Rechte vorbehalten.