Der Turm auf dem Taufstein
Der Bismarckturm in Schotten
Vorbemerkungen
Der im Jahre 1881 gegründete "Vogelsberger Höhen-Club" (VHC) plante bereits im Gründungsjahr die Errichtung eines Aussichtsturmes auf dem Vogelsberg, um u.a. den Tourismus zu fördern. Kurz darauf wurden in Schotten und Ulrichstein von VHC-Mitgliedern Spenden gesammelt, um den Plan verwirklichen zu können.
Im Jahr 1883 wurde ein hölzernes Vermessungsgerüst der "Europäischen Gradvermessungs-Kommission" aufgekauft und mit einem Kostenaufwand von 300 Mark zu einem Aussichtsturm umgebaut. Kurz darauf errichtete die trigonometrische Abteilung des Großen Generalstabes neben dem umgebauten Bauwerk ein weiteres Holzgerüst auf dem weitgehend kahlen Taufstein.
Bereits im Jahr 1898 wurde der hölzerne Aussichtsturm baufällig und musste abgerissen werden.
Der VHC plante zudem, dass neben dem umgebauten Aussichtsturm errichtete hölzerne Vermessungsgerüst der trigonometrischen Abteilung des „Großherzoglichen Generalstabs“ auf dem Taufstein (774 m ü. NN) aufzukaufen und als Aussichtsturm umzubauen. Der Ankauf scheiterte im Jahr 1890 am zu hohen Preis. Der Großherzogliche Generalstab erlaubte trotzdem den Einbau von Treppen und einer Plattform. Auch dieser hölzerne Turm musste 1898 wegen Baufälligkeit abgerissen werden.
Daraufhin stiftete der VHC-Zweigverein Lauterbach 3.000 Mark für die Errichtung eines neuen massiven Aussichtsturmes.
Bauplanung
Im Jahr 1900 schlug der VHC-Zweigverein Hirzenhain vor, den geplanten massiven Aussichtsturm als Bismarckturm zu errichten. Der Vorschlag wurde angenommen und ein Bauausschuss unter Vorsitz von Hugo Buderus gebildet. Ab 1902 wurden Spendengelder gesammelt.
Im Jahr 1904 spendete eine Einzelperson (Heinrich Fink) 500 Mark für den Turmbaufonds.
Da die gesammelten Gelder für den Turm nicht ausreichten, wurde ein Bauausschuss unter Vorsitz des Kommerzienrates H. Buderus aus Hirzenhain (später übernommen von Oberforstrat Dietenbach aus Schotten) gegründet, der die Finanzierung, Planung und den Bau vorantrieb.
Der Gesamtspendenstand im Jahr 1905 lag bei 8.550 Mark und stieg bis Mitte 1906 auf die Summe von 13.000 Mark. Zahlreiche VHC-Mitglieder hatten gespendet, zudem wurde eine "unverzinsliche Aktie über 10 Mark" verkauft. Nun wurde Architekt Ludwig Hoffmann aus Herborn mit der Ausarbeitung eines Turm-Entwurfes beauftragt.
Die Baukosten wurden Anfang 1907 auf 18.000 Mark veranschlagt.
Innerhalb des Vereins konnten bis zur
Grundsteinlegung am 13.07.1907 insgesamt 15.000 Mark Spenden gesammelt werden.
Bauarbeiten
Die Bauausführung des Turmes mit quadratischem Grundriss erfolgte durch die Firma H. Winn u. Co. aus Gießen. Als Baumaterial wurde Basaltstein verwendet.
Die Grundsteinlegung am 13.07.1907 wurde feierlich begangen.
Nur knapp zwei Monate nach der Grundsteinlegung (06.09.1907) stürzte ein Teil des bereits bis zum 1. Stock (ca. 12 m Höhe) gebauten Turm zusammen. Daraufhin wurde der Grundstein ein zweites Mal gesetzt. Im Frühjahr 1908 war das Bauwerk erneut bis auf 12 m Höhe errichtet worden. Bis zur Vollendung des Bismarckturmes dauerte es bis Frühjahr / Sommer 1910.
Am 04.07.1910 konnte der Turm feierlich eingeweiht werden.
Die Gesamtkosten für den Turmbau betrugen, auch durch den Einsturz bedingt, letztendlich rund 21.000 Mark.
Turmbeschreibung (zur Zeit der Einweihung)
Der 28 m hohe Aussichtsturm mit Feuerschale hat einen viereckigen Grundriss. Das Bauwerk ist im Sockelbereich stark ausladend.
Der Turmschaft erhebt sich oberhalb des Sockels und verjüngt sich zunächst leicht nach oben hin, um im Bereich der viereckigen Plattform leicht auszukragen. Die Plattform wurde durch eine einfache Metallbrüstung abgegrenzt.
Mittig des Turmkopfes wurde auf einer steinernen Rotunde ein Feuerbecken auf einem runden Aufsatz angebracht.
Der Eingang auf der Südwestseite ist als Rundbogen ausgebildet und über drei Steinstufen zu erreichen. Durch eine Holztür betritt man eine Halle, von der linksseitig eine linksdrehende Steintreppe abgeht. Über 23 Steinstufen erreicht man die 1. Etage. Von dort aus führt linksseitig eine rechtsdrehende Steintreppe 57 Stufen über mehrere Absätze zur 2. Etage. Eine linksdrehende Metallwendeltreppe mit 21 Stufen (ehemals Holzwendeltreppe mit 20 Stufen) führt von der rechten Seite bis zur metallenen
Ausgangstür der viereckigen Plattform.
Befeuerung
Die Feuerschale, welche runde Belüftungslöcher auf der Unterseite aufwies, wurde ursprünglich mit Holz mit Teerzusatz befeuert.
Turmgeschichte
1910-1950
Am 04.07.1910 fand die Turm-Einweihung im feierlichen Rahmen statt. Die Festrede hielt Prof. Bender aus Frankfurt/Main, die Weiherede wurde nach der offiziellen Einweihung bei der anschließenden Festtafel im Clubhaus von Lehrer Link aus Rudingshain gehalten.
Der etwa 3 m hohe Feuerschalenaufsatz mit Feuerschale wurde zwischen 1938 und 1950 entfernt. Die Gesamthöhe des Turmes beträgt seitdem nur noch 25 m.
1951-1989
Im Jahr 1952 entwarf Pfarrer Herman Knodt aus Bad Nauheim das Wappen für den Landkreis Büdingen. Dieses Wappen, welches am 16.06.1952 vom hessischen Innenminister genehmigt wurde, zeigt den Bismarckturm auf dem Taufstein (Gültigkeit des Wappens bis zur Zusammenlegung der Landkreise Friedberg und Büdingen am 01.08.1972). Das Wappen wurde bis 1971 als zusätzlicher Stempel mit dem Text "Landkreis Büdingen" im Briefverkehr genutzt.
1990-2009
Nach mehreren kleineren Sanierungen nach 1945 musste das Bauwerk 1992 nach einem Orkan wegen Baufälligkeit gesperrt werden. Der Vogelsberger Höhen-Club (VHC) startete im Dezember 1994 die Aktion "Rettet den Bismarckturm", um Spenden für den Erhalt des "markantesten Baudenkmals im Naturschutzgebiet auf dem Taufstein im Naturpark Hoher Vogelsberg" zu sammeln.
Der VHC-Hauptvorstand verlängerte den Pachtvertrag mit dem Land Hessen für die Parzelle mit dem Bismarckturm im Jahr 1996 nicht, sodass das Bauwerk an die Hessische Forstverwaltung (Land Hessen) überging. So konnten Fördergelder der EU (LEADER plus-Programm) abgerufen und für die Sanierung genutzt werden.
1996/1997 wurde der Bismarckturm für 750.000 DM (nach anderer Quelle 610.000 DM) grundlegend saniert.
Neben den Fördergeldern der EU (75 % der Gesamtkosten) spendeten folgende Institutionen für die Sanierung:
- Vogelsbergkreis
- Stadt Schotten
- VHC
- Sparkasse Vogelsbergkreis
Die Arbeiten am Bismarckturm, die von der Fa. Konrad Ahrens aus Bad Vilbel unter Leitung des Architekten Bechthold aus Lich durchgeführt wurden, waren am 01.08.1997 beendet, so dass das Bauwerk am 14.09.1997 feierlich wiedereröffnet werden konnte. Das Bauwerk erhielt u.a. eine Eingangstür aus Metall, eine neue Brüstung auf der Plattform und am Turm wurde außen ein Relief mit der Inschrift
BISMARCK-
TURM
ERBAUT VON
1906 BIS 1910
angebracht.
Nach Abschluss der Sanierung und aufgrund der Nichtverlängerung des Pachtvertrages wurde nun ein neuer Vertrag zwischen dem VHC, der Stadt Schotten, dem Vogelsbergkreis und dem Zweckverband "Naturpark Hoher Vogelsberg" geschlossen, um eine dauerhafte Betreuung des Bismarckturmes durch den Naturpark bei finanzieller Beteiligung (Sonderumlage) der anderen Vertragspartner zu sichern. Seitdem kümmert sich das Forstamt Schotten um das Bauwerk. Eigentümer des Bismarckturmes ist das Land Hessen.
Im Februar 2002 wurde der zuvor zugängliche Turm wegen herabfallender Teile des Innenputzes gesperrt. Ab Juli 2003 war der Turm nach durchgeführten Instandsetzungsarbeiten wieder zugänglich.
2010-heute
Am 30.05.2010 wurde das 100-jährige Jubiläum des Bismarckturmes gefeiert. Zu diesem Zweck wurde der Aussichtsturm Ende April 2010 wegen "freiliegender Metallteile" und dadurch bedingter Ausbesserungsarbeiten gesperrt. Die Außenfassade wurde gesäubert und einige Fensterteile wurden ausgewechselt.
An der Feier nahmen - trotz schlechten Wetters - 120 Besucher teil.
Im Herbst 2016 wurde der Turm für Besucher gesperrt, da sich der Mörtel an der Rotunde der Aussichtsplattform durch Witterungseinflüsse gelöst hatte.
Im November 2016 wurden für 6.500 € Hinweistafeln (verzinkte Stahltafeln mit Reliefform der Umgebung des Turmes) zur Orientierung der Besucher auf der Plattform angebracht.
Nach Sanierungsarbeiten an der Rotunde mit einem Gesamtvolumen von 5.000 EUR wurde das Bauwerk im Juli 2017 wieder öffentlich zugänglich gemacht.
Im Frühjahr 2020 wurde das Bauwerk wegen herabfallendem Mörtel bis auf weiteres geschlossen. Der Turmbereich wurde mit einem Zaun gesichert. Nach einem neuen Gutachten (2020) muss der Bismarckturm wegen zahlreicher Schäden (lockere Steine, Risse im Boden des Rundgangs u.a.) grundsaniert werden. Die Kosten dafür wurden auf über 200.000 € geschätzt. Eine Spendenaktion für den Bismarckturm war im Juli 2021 geplant. Im Februar 2022 wurden die Gesamtsanierungskosten auf mindestens 500.000 € geschätzt. Eine Sanierung fand bis zum Sommer 2024 nicht statt.
Sonstiges
Als Kulturdenkmal nach dem Hessisches Denkmalschutzgesetz ist das Bauwerk seit dem 1607.1990 aus geschichtlichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.
Der Bismarckturm liegt mitten im Naturschutzgebiet "Blockfelder am Taunusstein".
Ansprechpartner
Vogelsberger Höhenclub
Beundestr. 26
63667 Nidda
Öffnungszeiten (Stand: Juli 2024)
Der Bismarckturm ist wegen Bauschäden weiterhin gesperrt.
Links
Koordinaten und Kartenmaterial
360° Fotos (Bild 1 / Bild 2 / Bild 3)
Quellen
- Seele, Sieglinde: Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 356
- Seele, Sieglinde: Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-TURM auf dem TAUFSTEIN b. Schotten (Hessen)
- von Bismarck, Valentin: Bismarck-Feuersäulen u. Türme (unveröffentlichtes Manuskript); Nr. 167 "Bismarck-Feuersäule auf dem Taufstein im Vogelsgebirge", 1900 - 1915, 1937 (im Archiv der Burschenschaft Alemannia, Bonn)
- Zeitschrift des Bismarck-Bundes: 2. Jahrgang 1904 (Nr. 2, S. 3: Nr. 11/12, S. 10), 3. Jahrgang 1905 (Nr. 11, S. 11), 4. Jahrgang 1906 (Nr. 7/8, S. 113), 5. Jahrgang 1907 (Nr. 3, S. 43; Nr. 5, S. 71; Nr. 12, S. 217), 6. Jahrgang 1908 (Nr. 5, S. 81), 8. Jahrgang 1910 (Nr. 4, S. 63; Nr. 7/8, S. 119)
- Raven, Peter: Flugblatt „Rettet den Bismarckturm“, hrsg. vom Hauptvorstand des Vogelsberger Höhen-Clubs 1994
- Kölnische Zeitung vom 16.07.1907
- Einladung Jubiläum "100 Jahre Bismarckturm auf dem Taufstein" am 29./30.Mai 2010 vom VHC e.V. 1881
- Gießender Allgemeine Nr. 286 vom 09.12.1994, S. 31
- FAZ vom 03.01.1995; 13.08.1997
- Gießener Anzeiger vom 28.02.2002
- Lauterbacher Anzeiger vom 02.06.2010; 18.10.2010
- Oberhessische Zeitung vom 10.07.2017
Fotografen
- Dr. Wolfgang Seele, Mannheim (Juli 1986)
- Jörg Bielefeld, Leverkusen (Juni 2003)
- Vogelsberger Höhen-Club e.V. (Mai 2010)
- Hans-Dieter Hirschmann, Haßloch (Januar 2016)
- Ralph Männchen, Dresden (Oktober 2018)
- Richy Oelke, Kelkheim (Dezember 2018)
Übersichtskarte Standort Bismarckturm
Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.
Bildergalerie Bismarckturm Schotten
Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Schotten 1911
Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Schotten undatiert
Ansichtskartenmotiv Bismarckturm Schotten um 1950
Foto Bismarckturm Schotten Juli 1986 (hier noch ohne Relief)
Foto Bismarckturm Schotten Juni 2003
Foto Bismarckturm Schotten Juni 2003
Foto Bismarckturm Schotten Juni 2003
Foto Bismarckturm Schotten Dezember 2018
Foto Bismarckturm Schotten (Spindeltreppe) Dezember 2018
Foto Bismarckturm Schotten (Eingang) Dezember 2018
Foto Bismarckturm Schotten (Aussicht) Dezember 2018
Foto Bismarckturm Schotten (Treppenhaus) Dezember 2018
Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen
Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)
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