Bismarckturm auf der Hardthöhe
Der Bismarckturm in Gießen
Bauplanung
1899-1903
Die Gießener Studentenschaft beschloss 1898 nach dem Tod Otto von Bismarcks, eine Bismarcksäule in Gießen zu errichten. Zunächst war versucht worden, eine gemeinsame Säule mit Marburg zu errichten, der Studentenausschuss wies diesen Wunsch jedoch ab. Daraufhin wurde ein studentisches Bismarckkomitee für Gießen gebildet, welches aus Vertretern des VDSt, der Burschenschaft Alemannia und der Landsmannschaft Darmstadt bestand.
Stadtvertretung, Bürgerschaft und der Senat der Universität standen dem Vorhaben der Studenten reserviert gegenüber, da man den Studenten nicht zutraute, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen. Eine Anfrage des Magistrats an das Komitee im Frühjahr 1899 nach dem Stand der Vorbereitungen wurde daher nur „zögerlich und mit wenig Neigung“ beantwortet.
1904-1905
Erst im Juli 1904 beschloss der Gießener-Studentenausschuss, eine Bismarcksäule in Gießen zu errichten. Im August 1904 wurde ein
Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen zu erlassen. Bis zum 01.01.1905 sollten geeignete Entwürfe eingereicht werden.
Erste Spendensammlungen wurden unter den Professoren und der Mitstudentenschaft durchgeführt, jeder eingeschriebene Student sollte sich mit 2 Mark pro Semester beteiligen.
Im Frühjahr 1905 wurde Baurat A. Becker mit dem Entwurf und der Errichtung des Turmes beauftragt.
Als Standort wählte man die Hardt, eine Anhöhe nordwestlich der Stadt Gießen, aus.
Die Kosten von 12.000 Mark wurden durch Spenden getragen. 9.000 Mark davon waren freiwillige Beiträge der Studenten.
Bauarbeiten
Die feierliche
Grundsteinlegung erfolgte am 29.07.1905 um 18:00 Uhr durch die Gießener Studentenschaft und Gäste direkt auf dem mit Fahnen geschmückten Festplatz vor dem Baugrundstück. Anwesend waren neben den Studenten Vertreter alle städtischen und staatlichen Behörden, Reichtstagsabgeordnete, Professoren der Hochschulen und sonstige Gäste.
Prof. Dr. Haller hielt die Festrede, eine Ansprache hielt stud. phil. Paul Schlie (Burschenschaft Arminia), bevor letzterer die Urkunde der Grundsteinlegung verlas. Danach wurde diese in den Kasten des Grundsteines eingemauert, bevor die Studenten, Professoren und Ehrengäste jeweils Hammerschläge auf den Grundstein ausführten. Die Feier endete mit einem althessischen Präsentiermarsch.
Um 20:30 Uhr begann der Festkommers der Studentenschaft im Saal der Brauerei Bichler. Die Kommers-Eröffnung und Ansprache führte Student Beck (1. Chargierter beim Korps Starkenburgia) durch. Nach dem gemeinsamen Singen von patriotischen Liedern begrüßte Stud. Carlebach die Gäste. Nach weiteren Reden wurde unter Führung von Professor Eisevius weiter gefeiert.
Der offizielle Baubeginn erfolgte im Februar 1906.
Als Baumaterial wurde Basaltstein (Lungstein in rauen großen Blöcken) aus dem Londorfer Steinbruch bei Rabenau verwendet. Die Zuführung des Baumaterials zum Bauplatz auf der Hardthöhe erwies sich dabei als schwierig.
Die Bauausführung erfolgte durch Baurat A. Becker.
Am 18.06.1906 fand die feierliche Einweihung des Bismarckturmes statt. Die Studentenschaft veranstaltete abends einen Fackelzug zur Hardthöhe (Haardtberg). Hier hatten sich neben den Studenten die Spitzen der Behörden, der heimische Offizierkorps und der Rektor der Ludoviciana eingefunden.
Nach der Festrede des Rektors übergab der Bauleiter den Turm an den Ausschuss, der diesen wiederum an den Oberbürgermeister von Gießen weitergab, um den Turm im Namen der Stadt zu übernehmen. Bei der Übergabe wurde erstmals das Feuer auf dem Turmkopf entzündet. An die Feier schloss sich ein Kommers an.
Turmbeschreibung
Der 15 m hohe Aussichtsturm mit Befeuerungsmöglichkeit mit quadratischem Grundriss ist über eine der Eingangsseite vorgelagerte Terrassenanlage zugänglich, die über fünf mittige Steinstufen zu erreichen ist.
In einen Stein der Terrassenanlage (rechtsseitig der Eingangstür) wurde folgende Inschrift eingelassen:
ERRICHTET
VON DEN LEHRERN
UND STUDIERENDEN
DER UNIVERSITAET
GIESSEN 1905-1906
Durch das Eingangsportal gelangt man in den Innenraum, in dem eine steinerne Innentreppe zwei Meter unter die Aussichtsplattform führt. Über eine eiserne Spindeltreppe war der Zugang zur Aussichtsplattform in 13 m Höhe (Austritt über Aussteighaube) möglich. Die Brüstungshöhe der Plattform betrug 1,40 m. In den Ecken des Umgangs wurden zwecks besserer Aussichtsmöglichkeit erhöhte Tritte angebracht.
Auf der Aussteighaube wurde eine achteckige Feuerpfanne (Durchmesser 1,90 m) mit abgestumpften Ecken aus 11 mm starkem Eisenblech angebracht, die auf einer massiven Steinabdeckplatte ruhte. Zwischen der Platte und der Pfanne wurde eine 5 cm dicke Sandschüttung vorgenommen, zusätzlich wurde noch ein einige Zentimeter breiter freier Zwischenraum gelassen, damit das Gestein bei den hohen Befeuerungstemperaturen nicht beschädigt werden konnte. Der Aufstieg zur Feuerschale war mittels Leiter möglich.
Die Feuerpfanne wurde an bestimmten Tagen mit Scheitholz, Teer und Petroleum befeuert.
Die Holzscheite wurden mannshoch aufgeschichtet, die Zwischenräume mit Hobelspänen und Teer ausgefüllt. Schließlich wurde alles mit Petroleum übergossen. Dies führte zu einem lang anhaltenden und hellen Feuer.
Das Gurtband des oberen Turmteils trägt auf der Eingangsseite in erhabener Schrift den Namen
BISMARCK,
darüber befindet sich ein Reichsadlerrelief des italienischen Bildhauers Prof. Augusto Varnesi (*1866 - †1941), der seit 1883 in Frankfurt am Main lebte und arbeitete.
Turmgeschichte
1906-1914
Bereits zwei Tage nach der Einweihung, am 20.06.1906, fand ein weiterer Fackelzug der Studenten zur Hardthöhe statt.
In einem Vertrag zwischen der Gießener Studentenschaft und der Stadt Gießen im August 1906 verpflichtete sich die Stadt, die Säule dauerhaft in einem guten baulichen Zustand zu erhalten.
Am 20.06.1908 führte der VDSt Gießen zusammen mit dem VDSt Marburg einen Fackelzug zur Gießener Bismarcksäule durch. Auch am 25.06.1910, im Juni 1911, am 26.06.1912 und 22.06.1914 wurden anlässlich der Sommersonnenwende Fackelzüge zum Turm durchgeführt.
1911-1975
Im Jahr 1954 wurden Renovierungsarbeiten durchgeführt.
1972 wurden Bauschäden festgestellt, so dass die gefahrlose Begehung nicht mehr möglich war. Der Eingang wurde erst mit einer Stahltür gesichert. Im Jahr 1975 wurde der Eingang zugemauert.
1976-2006
Im Jahr 1989 scheiterte ein Antrag im Gießener Stadtparlament, das Bauwerk wieder zugänglich zu machen.
Im Mai 2006 wurde die Bismarcksäule in sanierungsbedürftigem Zustand (Eingang vermauert, Feuerschale noch vorhanden) vorgefunden. Das Bauwerk ist von Eichen umgeben.
2007-2013
Am 29. Mai 2007 wurde nach Initiative von Dr. Bernhard Höpfner aus Gießen der Förderverein Bismarckturm Gießen e.V. gegründet. Der Förderverein plante, insgesamt 80.000 EURO für die notwendigen Sanierungsarbeiten am Turm durch Spenden zu sammeln. Als dringend erforderliche Arbeiten waren die Absicherung der oberen Abschlussdecke und die Anbringung eines neuen Daches vorgesehen.
Im September 2008 überreichte das Landesamt für Denkmalpflege dem Verein 20.000 EURO für die anstehende Sanierung des Turmes. Die Gesamtmaßnahmen hatten im Jahr 2008 bereits ein Volumen von ca. 135.000 EURO erreicht, das sich Stadt, Land und Verein teilen wollten.
Im November 2008 wurde bekannt, dass die Stadt Gießen im Jahr 2009 für die Sanierung 45.000 EURO zur Verfügung stellt. Das Landesamt für Denkmalpflege bewilligte zusätzliche 25.000 EURO.
Die Turmkrone des Bauwerkes konnte im November 2008 gesichert werden, damit kein weiteres Wasser mehr eindringen und der Turm für die anstehende Sanierung trocknen konnte.
Am 25.08.2009 starteten die Bauarbeiten durch die Fa. RIBA GmbH aus Alzena, der erste Bauabschnitt wurde im Dezember 2009 beendet, der zweite Bauabschnitt sollte im Spätsommer / Herbst 2010 abgeschlossen werden.
Die ursprünglich für Herbst 2010 avisierte Wiedereröffnung wurde wegen weiterer kostenaufwändiger Sanierungsarbeiten verschoben.
Insbesondere wegen der neuen Spindeltreppe war der Gesamtkostenaufwand auf 150.000 Euro gestiegen. Der Förderverein musste dadurch eine Finanzierungslücke von 25.000 Euro schließen.
Im Jahr 2011 wurde der ca. 100 m lange Zugangsweg zum Bismarckturm begradigt und mit Eichen bepflanzt. Die Podestanlage im Eingangsbereich wurde von der Fa. Bartel aus Biebertal im November 2011 originalgetreu fertig gestellt.
Der zweite Bauabschnitt dauerte bis 2012, folgende Arbeiten wurden durchgeführt:
- Installation einer neuen metallenen Spindeltreppe im Innern des Turmes (bis Juni 2012 durch Fa. Ernst aus Burgwald)
- Installation einer Steinabdeckplatte für die Feuerpfanne,
- Einbau und Montage einer neuen, knapp 500 kg schweren, originalgetreu konstruierten Eingangstür zum Turm,
- Einbau einer neuen Austrittstür zur Aussichtsplattform (Montage der Türen durch die Fa. Haber & Brandner aus Regensburg)
- Anbringung von Orientierungstafeln auf der Brüstungsmauer der Plattform sowie
- die Neugestaltung des äußeren Zugangsbereiches zum Turm inkl Bepflanzung als Allee (Tiefbauamt und Gartenamt Gießen).
Die neue, neun Zentner schwere Eisentür, gefertigt in einer Kunstschmiede in Regensburg, wurde im Frühjahr 2012 eingesetzt.
Die Möglichkeiten des Zugangs zum Turm und regelmäßige Turmführungen wurden im Frühjahr 2013 geregelt.
2014-heute
Am 21.06.2014 wurden vier Orientierungstafeln auf der Plattform angebracht. Die erste Öffnung des Bismarckturmes nach umfassender Sanierung erfolgte am 03.08.2014, insgesamt waren 200 Besucher vor Ort. Eine offizielle Wieder-Eröffnungsfeier fand nicht statt.
Im Jahr 2015 wurden 12 batteriebetriebene LED-Leuchten im Bereich des Treppenaufganges angebracht.
Im Jahr 2016 wurden gravierende Mängel an der Neu-Verfugung des Turmes (im Jahr 2011 durchgeführt) festgestellt, im Januar 2017 wurde diese Mängel durch ein Gutachten bestätigt.
Im April 2017 wurde das Bauwerk durch Vandalismus beschädigt (Schloss der Stahltür beschossen). Der Schaden wurde behoben, Anfang Juni 2017 konnte das Bauwerk wieder geöffnet werden.
Im September 2020 erhielt der Förderverein Bismarckturm Gießen e.V. den Hessischen Denkmalschutzpreis für die gelungene Sanierung des Bismarckturmes.
Im Sommer 2023 wurde an der fünfstufigen Treppe zur Terrassenanlage ein Handlauf angebracht.
Die Plakette des Denkmalpreises wurde im Turminnern (Treppenaufgang) aufgehängt. An den unteren und mittleren Fenstern des Turmes wurden Fenstergitter installiert.
Öffnungszeiten (Stand: Juli 2024)
Das Bauwerk wird zwischen Mai und Oktober jeweils am 1. und 3. Sonntag jedes Monats von 14:00 - 18:00 Uhr sowie am Tag des offenen Denkmals geöffnet (nur bei gutem Wetter).
Links
Koordinaten und Kartenmaterial
Förderverein Bismarckturm Gießen e.V.
360° Ansicht am Bismarckturm Gießen
Quellen
- Seele, Sieglinde: Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 161-162
- Seele, Sieglinde, Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-TURM von GIESSEN (Hessen)
- von Bismarck, Valentin: Bismarck-Feuersäulen u. Türme (unveröffentlichtes Manuskript); Nr. 127 "Bismarck-Feuersäule zu Gießen", 1900 - 1915, 1937 (im Archiv der Burschenschaft Alemannia, Bonn)
- Zeitschrift des Bismarck-Bundes: 2. Jahrgang 1904 (Nr. 11/12, S. 10), 3. Jahrgang 1905 (Nr. 2, S. 6; Nr. 8, S. 10, Nr. 11, S. 10), 4. Jahrgang 1906 (Nr. 4, S. 58; Nr. 7/8, S. 111; Nr. 12, S. 188), 5. Jahrgang 1907 (Beilage: „Die Bismarck-Feuersäule“)
- Zentralblatt der Bauverwaltung 1907, S. 537, Bismarckturm bei Gießen von A. Becker
- Zirlewagen, Marc: "Sinnbild der Einheit-Deutschlands - Die Bismarcksäule auf der Rothenburg im Kyffhäuser", S. 75-77, BoD Norderstedt, 2014
- Akademische Blätter, Zeitschrift des Kyffhäuser-Verbandes der Vereine Deutscher Studenten: 14. Jg (Nr. 4 vom 16.05.1899, S. 48; Nr. 5 vom 01.06.1899, S. 66; Nr. 24 vom 16.03.1900, S. 365; 16. Jg. (Nr. 5 vom 01.06.1901, S. 72; Nr. 7 vom 01.07.1901, S. 108); 18. Jg. (Nr. 6 vom 16.06.1903, S. 97 + S. 99; Nr. 7 vom 01.07.1903, S. 120); 19. Jg. (Nr. 8 vom 16.07.1904, S. 137 + S. 138; Nr. 9 vom 01.08.1904, S. 157); 20. Jg. (Nr. 6 vom 16.06.1905, S. 100; Nr. 8 vom 16.07.1905, S. 140; Nr. 11 vom 01.09.1905, S. 135), 21. Jg. (Nr. 9 vom 01.08.1906, S. 164); 23. Jg. (Nr. 9 vom 01.08.1908, S. 151)
- Kölnische Zeitung vom 15.11.1904; 01.08.1905
- Bonner Zeitung vom 21.07.1906
- Gießener Anzeiger vom 26.07.1905; 29.07.1905; 18.07.1906; 29.03.2007; 20.06.2007; 06.09.2008; 16.09.2008; 29.11.2008; 12.09.2009; 12.03.2010; 28.08.2010; 12.11.2011; 16.11.2011; 09.06.2012; 15.09.2012
- Gießener Allgemeine vom 16.11.2011
- Rundbriefe und Protokolle des Fördervereins Bismarckturm Gießen e.V. von 2010-2023
Fotografen
- Jörg Bielefeld, Leverkusen (Juli 2001, Oktober 2008)
- Hans-Dieter Hirschmann, Haßloch (August 2011, Juli 2012, September 2015)
- Ralph Männchen, Dresden (Juni 2017)
- Richy Oelke, Kelkheim (April 2018)
Übersichtskarte Standort Bismarckturm
Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.
Bildergalerie Bismarckturm Gießen
Foto Bismarckturm Gießen Juli 2001
Foto Bismarckturm Gießen Juli 2001
Foto Bismarckturm Gießen Juli 2001
Foto Bismarckturm Gießen April 2018
Foto Bismarckturm Gießen (Detail) April 2018
Foto Bismarckturm Gießen April 2018
Foto Bismarckturm Gießen April 2018
Foto Bismarckturm Gießen April 2018
Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen
Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)
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