Basalt aus Hanaus Steinbrüchen
Der Bismarckturm in Hanau-Wilhelmsbad
Die Hanauer Bismarcksäule ist in Hessen der dritte und letztgebaute Turm nach dem von der deutschen Studentenschaft prämierten Bismarcksäulen-Entwurf „Götterdämmerung“ des Architekten Wilhelm Kreis. Im Gegensatz zu den Bismarcksäulen in Marburg und Kassel wurde in Hanau eine reine Feuersäule (ohne Aussichtsfunktion) errichtet.
Bauplanung
Der Bau dieses Bismarckturmes wurde im Januar 1900 vom Nationalliberalen Verein in Hessen angeregt. Die Stadt Hanau sowie der Landkreis Hanau beschlossen gemeinsam die Errichtung dieser Bismarcksäule.
Am 28.05.1900 wurde in einer extra dazu einberufenen Versammlung im Saal der Centralhalle in Hanau ein "Ausschuss zur Errichtung einer Bismarcksäule" unter Vorsitz des Fabrikbesitzers Dr. Wilhelm Heraeus aus Hanau gebildet. Dr. Heraeus führte in seiner Ansprache aus, dass er schon mit vielen Hanauern über die Standortfrage dieser Säule diskutiert habe. In Ermangelung eines Berges in der Umgebung von Hanau nahm er Kontakt mit dem Architekten Wilhelm Kreis auf, der ihm mitteilte, dass sich sein "Entwurf Götterdämmerung ebensowohl für gebirgiges wie ebenes Terrain eigne".
Die genaue Standortfrage wollte Dr. Heraeus nicht in dieser Versammlung klären, sondern dem zu bildenden Komitee überlassen. Die Kostenschätzung für den Bau des Turmes betrug im Mai 1900 rund 20.000 Mark.
Nach Angaben des Landrates des Landkreises von Hanau, Bernhard von Schenck, wurde festgestellt, dass die Errichtung der Bismarcksäule vom Stadt- und Landkreis Hanau gemeinschaftlich in die Hand genommen wird. Mitglieder des Komitees waren u.a. Gymnasialdirektor Dr. Braun, Dr. Wilhelm Heraeus, Amtsrichter Dr. Lucas, Landrat Bernhard von Schenck, Realschuldirektor Dr. Schmidt, Königlicher Baurat Wohlfarth und Landgerichtsrat Dr. von Spindler.
Im Februar 1901 erließ das Komitee einen Spendenaufruf und klärte endgültig die Standortfrage. Als Turmstandort wählte man den Kurort Wilhelmsbad bei Hanau aus.
Der Ausschuss entschied sich für den von der deutschen Studentenschaft mit dem 1. Preis ausgezeichneten Entwurf "Götterdämmerung" des Architekten Wilhelm Kreis.
Die Baukosten in Höhe von 28.000 Mark für den Bismarckturm konnten durch Spendensammlungen im Stadt- und Landkreis Hanau aufgebracht werden. Für die Spendensammlungen wurden Spendenbüchsen in Form des Bismarckturm-Entwurfs "Götterdämmerung" verwendet.
Bauarbeiten
Am 04.09.1904 wurde der Grundstein für die Säule gelegt. Nahe des Bahnhofs in Wilhelmsbad versammelten sich für die Feier der Grundsteinlegung zahlreiche Teilnehmer für den Festzug. An der Spitze des Zuges waren der Oberbürgermeister von Hanau, Dr. Eugen Gebeschus, Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung sowie die Mitglieder des Ausschusses für die Bismarcksäule. Danach folgten Lehrer und Schüler sämtlicher Schulen von Hanau, der Kriegerverein Hanau, Kriegervereine der Umgebung, der Veteranenverein, der Gartenverein, der evangelische Arbeiterverein, die akademische Verbindung "Gessini" u.v.a.
Nach der Ankunft am künftigen Bauplatz sang ein 400köpfiger Knabenchor "Der Herr ist unsere Zuversicht und Stärke", bevor Fabrikant Dr. Wilhelm von Heraeus die Festrede hielt.
Danach folgte die feierliche Grundsteinlegung, die mit den üblichen Hammerschlägen auf den Grundstein und kurzen Sinnsprüchen verbunden war. Als Einweihungstermin des Bauwerkes wurde hier der 01.04.1905 genannt.
Nach dem Festakt wurde ein allgemeines Volksfest in den Anlagen von Wilhelmsbad durchgeführt.
Als Baumaterial wählte man grob behauenen Basalt aus den nahe des Bauplatzes befindlichen Steinbrüchen von Wilhelmsbad und Steinheim.
Die Bauoberleitung übernahmen der Hanauer Baurat Wohlfarth sowie der technische Ausschuss. Mit der Bauausführung wurde Maurermeister Jean Louis Wörner jr. aus Hanau beauftragt.
Turmbeschreibung
Das 18 m hohe Bauwerk wurde als Feuersäule ohne Aussichtsfunktion errichtet.
Als Basis des Turmes dient ein zweistufiges quadratisches Podest.
Die untere Podeststufe ist 11,35 m x 11,35 m, die obere Podeststufe 8,75 m x 8,75 m breit. Die Höhe der unteren Podeststufe beträgt 0,60 m (Tiefe: 1,30 m), der oberen Podeststufe 0,75 m (Tiefe: 1,10 m).
Darauf erhebt sich der quadratische Turmsockel mit einer Seitenlänge von 6,55 m und einer Höhe von 2,15 m.
Eine eingefasste Treppe mit acht Stufen (Breite: 2,03 m, mit Einfassung: 3,03 m) führt auf der Westseite auf die obere Podeststufe in Höhe der Eingangstür des Turmes (Gesamthöhe der Stufen: 1,35 m).
Die Eingangstür ist 1,16 m x 2,06 m groß. Der Türsturz hat eine Breite von 1,68 m, ist an den Seiten jeweils 0,26 m und in der Mitte 0,53 m hoch.
An der Ostseite des Turmes ist als einziger Schmuck ein Reichsadlerrelief mit der Schlange der Zwietracht und Bismarck-Wappen, darunter die Inschrift
BISMARCK,
auf der Nordseite eine Inschrifttafel mit der Inschrift
BISMARCKTURM
Zeugnis nationaler Begeisterung für
den Eisernen Kanzler
Otto von Bismarck, Begründer des
zweiten Deutschen Reiches von 1871.
Einweihung 1905.
Architekt: Wilhelm Heinrich Kreis, Dresden
angebracht.
Die vier Kanten des Schaftes bestehen - wie bei dem Entwurf "Götterdämmerung" typisch - aus Dreiviertelsäulen, die von einem Architrav mit dreistufigem Oberbau zusammengehalten werden. An allen Seiten des Turmes (außer Ostseite) ist mittig im oberen Bereich des Turmschaftes ein schmaler Lichtschlitz eingelassen.
Auf der Südseite des Turmes ist über der Wulst ein kleiner Austritt vorhanden, der zum Erreichen der Feuerschale diente.
Auf dem Turmkopf wurde eine runde eiserne Feuerschale (Durchmesser 2,50 m, Kosten 850 Mark) auf einem Gestell installiert. Befeuert wurde diese mit Kolophonium (Harzprodukt) und Talg. Die Brenndauer betrug ca. 2 Stunden.
Turmgeschichte
1905-1979
Am 03.09.1905 wurde die Säule unter großer Beteiligung der Bevölkerung feierlich eingeweiht. Vom Stationsgebäude in Wilhelmsbad zog ab 16:00 Uhr ein großer Festzug mit mehreren Tausend Teilnehmern zum Standort der Bismarcksäule. Es beteiligten sich u.a. vierzig Vereine und die Schuljugend von Hanau und Umgebung.
An der Säule sang zunächst ein 400köpfiger Knabenchor, bevor Gymnasialdirektor Dr. Braun die Festrede hielt. Dabei betonte er die ungewöhnliche Standortwahl: "Wie sinnig ist es, dass dieser Turm gerade mitten in den Weg hineingepflanzt ist! Er lässt jedem rechts und links die Bahn frei, aber wer vor ihm nicht ausweicht, der kann sich an ihm den Schädel einrennen."
Nach einer Rede von Baurat Wohlfarth übergab dieser dem Vorsitzenden des Ausschusses, Dr. Heraeus, den Schlüssel der Säule, den dieser an den Vorsitzenden des Kreisausschusses, Landrat Rudolf von Beckerath weiterreichte, welcher das Bauwerk im Namen der Kreisverwaltung und der beteiligten Ortsbehörden übernahm. Anschließend legten mehrere Vereine, das Kgl. Gymnasium, die Mädchenschule Hanau und die Mädchen-Mittelschule Hanau Kränze vor der Säule nieder.
Anschließend fand in den Kuranlagen ein Volksfest statt, welches aber zwischenzeitlich durch starken Regen unterbrochen wurde.
Bei Anbruch der Dunkelheit wurde die Feuerschale auf dem Turm erstmals entzündet. Anschließend machte sich der Festzug mit Lampions und Fackeln unter Vorantritt der Musikkapellen auf den Rückweg.
In den 1970er Jahren wurde eine Infotafel zur Geschichte des Bismarckturmes vor dem Turm aufgestellt.
1980 bis heute
Vor 2005 wurde eine schmale Metalltreppe in den Turm eingezogen.
Am Tag des offenen Denkmals im September 2005 wurde die Säule nach vielen Jahrzehnten erstmalig wieder befeuert.
Das Bauwerk war im Oktober 2018 äußerlich sanierungsbedürftig. Aus den Steinen am Turmkopf wuchsen Pflanzen.
Am 07.07.2022 wurde vom Leistungskurs Geschichte (12. Jahrgangsstufe) der Hohen Landesschule mit ihrem Lehrer Dr. André Griemert eine neue Infotafel vor dem Bismarckturm aufgestellt und damit die alte Infotafel ausgetauscht.
Inhaltlich setzt diese sich kritisch mit den Widersprüchen der Bismarck'schen Politik auseinander, um den Erinnerungsort Bismarckturm für die Bürger in der heutigen Zeit greifbarer zu machen.
Sonstiges
Der Bismarckturm ist als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.
Der Bismarckturm steht auf einer länglichen Verkehrsinsel zwischen den beiden Fahrspuren der Kreisstraße K 872, die heute zum Ortsteil Hanau-Kesselstadt (Flur 18, Flurstück 9/9, nahe Staatspark Wilhelmsbad) gehört.
Öffnungszeiten
Das Bauwerk ist für Besucher dauerhaft geschlossen.
Links
Koordinaten und Kartenmaterial
Quellen
- Seele, Sieglinde: Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 190
- Seele, Sieglinde, Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-SÄULE von HANAU (Hessen)
- von Bismarck, Valentin: Bismarck-Feuersäulen u. Türme (unveröffentlichtes Manuskript); Nr. 120 "Bismarck-Feuersäule in Wilhelmsbad bei Hanau", 1900 - 1915, 1937 (im Archiv der Burschenschaft Alemannia, Bonn)
- Zeitschrift des Bismarck-Bundes; 2. Jahrgang 1904 (Nr. 9, S. 3; Nr. 11/12, S. 9), 3. Jahrgang 1905 (Nr. 11, S. 10)
- Ehrhardt, Max: Bismarck im Denkmal des In- und Auslandes, Thüringische Verlags-Anstalt Eisenach-Leipzig, 1903, "Die Bismarck-Säule (Architekt Kreis) zu Hanau"
- Dresdner Anzeiger, 174 Jg., Nr. 175 vom 25.06.1904
- Hanauer Anzeiger: 29.05.1900; 05.09.1904; 04.09.1905
- Bielefeld, Jörg: Maße des Bismarckturmes (Mai 2016), alle Angaben ohne Gewähr
Fotografen
- Jörg Bielefeld, Leverkusen (Juni 2003, Mai 2016)
- Richy Oelke, Kelkheim (April 2018)
- Ralph Männchen, Dresden (Oktober 2018)
- Lukas Ruge, Lübeck (Mai 2022)
Übersichtskarte Standort Bismarckturm
Der genaue Standort ist über die Links zu Google Maps / Google Earth (s.o.) zu finden.
Bildergalerie Bismarcksäule / Bismarckturm Hanau
Foto Bismarckturm Hanau Juni 2003
Foto Bismarckturm Hanau Juni 2003
Foto Bismarckturm Hanau Juni 2003
Foto Bismarckturm Hanau April 2018
Foto Bismarckturm Hanau April 2018
Foto Bismarckturm Hanau April 2018
Foto Bismarckturm Hanau April 2018
Foto Bismarckturm Hanau April 2018
Foto Bismarckturm Hanau Mai 2022
Foto Bismarckturm Hanau Mai 2022
Ansichtskartenmotive: Bismarckturm-Archiv Jörg Bielefeld, Leverkusen
Fotografien: Jörg Bielefeld, Leverkusen, ansonsten siehe jeweiliges Foto (Erlaubnis des Fotografen)
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